Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Feuersteins Reisen

Feuersteins Reisen

Titel: Feuersteins Reisen
Autoren: Herbert Feuerstein
Vom Netzwerk:
Ziel, sondern schätze sie sogar, als besonderen Ansporn. Willig steige ich tausend Pyramidenstufen hoch, hocke auf Gletscherfelsen und krieche den ganzen Tag durch glühend-heißen Wüstensand. ABER: Nachts will ich in einem ordentlichen Hotel schlafen. In einem Fünf-Sterne-Hotel. Schon bei vier Sternen kriege ich schreckliche Albträume, ich wäre verarmt und müsse als meine Putzfrau arbeiten. Oder für Wolpers das Stativ tragen.
    Nun gibt’s so ein Hotel natürlich nicht überall, schon gar nicht an extremen Drehorten, die die Art unserer Filme manchmal erfordern. Da muss man, in Alaska zum Beispiel, schon mal einen Albtraum riskieren und im Gästehaus einer Ölgesellschaft absteigen, wo die Fenster mit schwarzer Pappe abgeklebt sind, zur Abwehr der Mitternachtssonne. Absolut kompromisslos bin ich hingegen beim Thema Zelt.
    Zelte sind mir ein Gräuel, wie alles, was mit Camping zusammenhängt, bis hin zum Lagerfeuer einschließlich Gitarre. Die Bedingung, die ich Produzent Wolpers bei der Vorbereitung stellte, lautete daher: Keine Zeltübernachtung. Auf keiner Reise. Zu keinem Zeitpunkt. Das versprach er mir fest.
    Es gibt nur eins, was ich als noch unerträglicher empfinde als eine Nacht im Zelt: Eine Unterkunft, die ich mit anderen Männern teilen müsste. Schon in der Schulzeit drückte ich mich, wo immer es ging, vor Klassenfahrten, die in Schlafsälen mündeten. Schwitzende, röchelnde, furzende Leiber sind Höllenszenen und gehören auf Breughel-Gemälde, aber nicht in mein Schlafzimmer. Und der Hauptgrund, warum mein Leben weitgehend gesetzestreu verläuft, trotz des ständigen Brodelns enormer krimineller Energie, liegt in der Angst, meine Gefängniszelle mit anderen teilen zu müssen. Ich würde daher vor einer drohenden Verhaftung noch schnell mehrere Morde begehen, um auch wirklich ganz sicher zu sein, dass ich in eine Einzelzelle komme. Deshalb meine zweite und letzte Bedingung: Keine Mannschaftsunterkünfte. Auf keiner Reise. Zu keinem Zeitpunkt. Auch das versprach er mir fest. Das beruhigte mich, denn ich kenne Wolpers sehr lange und weiß: WENN er was ist, dann ist er verlässlich.
    Vor dem Abflug zum Bären-Reservat auf der Insel Kodiak fragte mich Wolpers, wo ich denn übernachten wolle. Ich könne wählen: Zelt oder Vierbettzimmer, Letzteres zusammen mit dem Team. In diesem Augenblick wusste ich, was Todeskandidaten fühlen, wenn sie die Wahl haben zwischen Gaskammer und elektrischem Stuhl, und seither bin ich noch mehr gegen die Todesstrafe. Außer für Wolpers.
    Ich wählte das Zelt. In den schlimmsten Stunden des Lebens war es immer die Einsamkeit, die mich am besten tröstete. Auch Schmerzen und Krankheiten sind allein für mich erträglicher, ebenso der Tod, der ja ohnehin einer Nacht im Zelt vorzuziehen ist. Dabei weiß ich nicht mal genau, warum ich Zelte so sehr hasse. Wahrscheinlich, weil sie mich an Sport erinnern, den ich in keiner Form leiden mag. Und ganz sicher, weil sie so eng und stickig sind. Oder so kalt und so feucht, irgendwas klebt immer an der Haut. Auf alle Fälle hart und unbequem, voll Sand und klebriger Cola-Reste. Und Käfern. Durch nichts, durch absolut nichts können sie ein Bett ersetzen. Und die Leute, die von der knisternden Romantik schwärmen, von der köstlichen, durch nichts zu ersetzenden, erotischen Zweisamkeit in einem Zelt, kann ich nur fragen: Was zum Teufel ist schlecht an Sex in einem riesigen Bett?
    Wenigstens musste ich das Zelt nicht selber bauen. Das machte der Ranger, der die Blockhütte am Bärensee betreute. Er konnte meine Weigerung, den Schlafsaal zu benutzen, überhaupt nicht verstehen, und ich vermute, dass er es war, der die Ameisen in mein Zelt gelockt hatte. Aus Strafe oder Verachtung. Wahrscheinlich aus beidem.
    Wir waren mit dem Wasserflugzeug zum See der Bären geflogen, einer unberührten Landschaft in den Bergen, straßenlos, menschenleer, nur diese Blockhütte, streng behütet von dem einsamen Ranger, denn mehr als fünf Gäste gleichzeitig waren hier nicht zugelassen. Das klingt fast verschwenderisch, ein solches Paradies mit den größten Bären der Welt fast für sich allein, aber erstens gibt es Bären auch noch anderswo auf dieser größten Insel Alaskas, zweitens ist das Wasserflugzeug tatsächlich das einzige und nicht gerade billige Transportmittel hierher, sofern man nicht zehn Tage wandern will, und drittens ist das alles ja statistisch begründet: Bei einer Bevölkerungsdichte von einem halben Menschen pro
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher