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Feuersteins Reisen

Feuersteins Reisen

Titel: Feuersteins Reisen
Autoren: Herbert Feuerstein
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Krisengebieten kennt: Da steht der CNN-Reporter auf dem Hoteldach, Rauchwolken steigen auf, man hört den Donner explodierender Granaten, im Hintergrund ziehen Leuchtspuren ferngelenkter Raketen wie bösartige Meteore über den Nachthimmel. Jetzt galt es, sich der Situation zu stellen, sie zu beschreiben, zu kommentieren, mit ihr fertig zu werden, mit klarer Stimme, beginnend mit einem soliden Soundbite, der losgelöst und für sich allein die Wucht des Geschehens enthält und den man auch für einen Trailer verwenden kann, vielleicht sogar für die Werbung. Das Auge der Welt war auf mich gerichtet.
    Ich sagte: »Wir hauen ab.«
    Wir schmissen unser Zeug ins Auto und fuhren los. Fast wären wir an Constanza vorbeigefahren, die schon an der Autobahn angelangt war und heftig winkte.
    Vielleicht bin ich doch nicht der ideale CNN-Reporter.

Das Fahrrad auf der Eiger-Nordwand

    Das hört sich jetzt alles so an, als wären wir in Mexiko ständig in Fettnäpfchen getreten und hätten nur unbrauchbares Zeug mit nach Hause gebracht. Ganz im Gegenteil: Keine Folge war so reich an guten Geschichten, darunter so manche, die es wert gewesen wären, die volle Programmlänge zu füllen. Die Mariachi-Musiker von der Plaza Garibaldi zum Beispiel.
    Jeder Mexiko-Tourist kennt die Szene: Auf dem kleinen, lebhaften Platz mit seinen unzähligen Kneipen wird man schon beim Aussteigen aus dem Auto von den Musikern angesprochen. In ihren schwarzen Silberknopf-Kostümen und den Filzhüten sehen sie aus wie ausgemusterte Stierkämpfer. Für ein paar Pesos präsentieren sie an Ort und Stelle ein Ständchen mit schmetternden Trompeten und verführerischem Gesang. Für ein paar Dollar kriegt man sie für die ganze Nacht, für die Fete im Restaurant oder eine Hausparty.
    Constanza hatte eine Gruppe aufgetan, mit der man einen ganzen Spielfilm hätte besetzen können: acht wundersame Gestalten, vom Heiratsschwindler bis zum Nobelpreisträger, mit einem Bandleader, den man origineller nicht erfinden könnte: Er war noch kleiner als ich — was es tatsächlich gibt —, sah aus wie ein Taschendieb und sang mit dem Schmelz aller Drei Tenöre zusammen.
    Wir drehten ein paar Szenen auf dem Garibaldi-Platz, so richtig stimmungsvoll, wie es sich für Mexiko gehört, da die Leute auf der Straße alle mitmachten und uns mit Johlen und Pfeifen begleiteten. Da wir die Band für die ganze Nacht geheuert hatten, beschloss ich, das wörtlich zu nehmen: Sie sollten mit ins Hotel kommen, wo wir im Zimmer ein Schlaflied drehen würden, wenn ich schon im Bett lag.
    Nun kann man zwar in den meisten Hotels zur Not zwei oder drei Mädchen heimlich ins Zimmer schleusen, schwerlich aber acht Musiker, noch dazu, wenn sie spielen. Also suchten wir eine Absteige, wo alles möglich war, und fanden sie auch: im Puff. Das war zwar nicht ganz einfach, denn das Einzige, was in einem Stundenhotel groß zu sein hat, ist das Bett, nicht der Raum. Die Musiker standen daher dicht an die Wand gepresst, Erik saß mit der Tonangel auf dem Schrank, Wolpers, der das Licht bediente, lag unterm Bett und Stephan schoss aus dem Badezimmer heraus... und das Erstaunliche: Es klappte.
    Es war ausgemacht, dass die Musiker nur spielten, wenn das Licht brannte; sobald ich es ausmachte, musste Stille herrschen. Das funktionierte besser als erwartet: Wenn sie spielten, geriet das ganze Puff ins Wanken, und wenn sie aufhörten, hörte man lustvolles Stöhnen aus den anderen Zimmern. Was kann Musik doch anregend sein.
    Constanza berichtete mir hinterher, dass es fast ein Missverständnis gegeben hätte. Als wir nämlich im Stundenhotel einmarschierten, waren die Musiker sicher, wir wollten einen Porno drehen, und verlangten die Verdoppelung der vereinbarten Gage. Sie waren schwer enttäuscht, als ich dann allein im Bett lag.
    Ich hätte die acht Mariachi-Gauchos am liebsten mit nach Deutschland genommen, zum täglichen Abendkonzert in meinem Schlafzimmer, so viel schöner und abwechslungsreicher als das idiotische Schäfchenzählen. Die Szenen mit ihnen waren für mich der Höhepunkt dieser Reise, gefolgt vom Besuch bei den Tarahumara, dem Platz Nr. 2 meiner Mexiko-Hitparade.
    Die Tarahumara sind ein indianisches Bergvolk in der Barranco del Cobre , dieser dramatischen Schluchtenlandschaft, in der Stephans zerstörerischer Helikopterflug stattgefunden hatte, mehr als viermal so groß wie der Grand Cañón. 50 000 bis 100 000 Tarahumaras soll es heute noch geben, aber das ist reine Schätzung, denn sie
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