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Feuerflügel: Roman (German Edition)

Feuerflügel: Roman (German Edition)

Titel: Feuerflügel: Roman (German Edition)
Autoren: Kenneth Oppel
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kämpfen, die Sonne zurückzubekommen. Aber er wusste, es war nicht das Sonnenlicht selbst, was zählte, es war die Freiheit. Die Freiheit, wählen zu können, ob man nachts oder am Tage flog, und insbesondere frei zu sein von der Angst vor einem Angriff der Eulen.
    Schatten drehte ab und fing einen Chrysippusfalter. Das war ein Vorteil beim Flug im Tageslicht – es gab jede Menge neuer Insekten zu fressen, solche, die selten während der Nacht herauskamen.
    „Du bist früh auf“, ertönte eine Stimme hinter ihm. Er blickte über den Flügel zurück und sah, wie sein Vater Cassiel an seine Seite flog.
    „Hast du gespürt, wie die Höhle gewackelt hat?“, fragte Schatten.
    Cassiel schüttelte den Kopf. „Und du?“
    „Ich weiß nicht, ob es wirklich passiert ist. Ich bin ziemlich sicher, dass ich ein leichtes Beben gespürt habe.“
    „Könnte sein“, meinte sein Vater. „Vor Jahren hat es ein paar Erdstöße gegeben. Nichts sehr Heftiges allerdings.“
    Sein Vater versuchte, ihn zu beruhigen, aber Schatten erinnerte sich an den tiefen, beherrschten Rhythmus der Schwingung, wie eine Andeutung von bevorstehenden größeren Ereignissen. Er fragte sich, ob sie es auch im Baumhort bemerkt hatten.
    „Glaubst du, Orion wird mich auswählen?“, fragte er.
    „Ich weiß nur, dass er immer schnelle, zuverlässige Flieger wählt.“
    „Nun, ich bin sicher nicht der schnellste, aber ich bin zuverlässig.“
    Sein Vater sah ihn grinsend an.
    „Du glaubst nicht, dass ich zuverlässig bin?“, fragte Schatten verletzt.
    „Natürlich glaube ich das. Du hast mir das Leben gerettet. Aber Orion befürchtet vielleicht, du könntest unterwegs abgelenkt werden. Irgendeinem bösen Plan zur Zerstörung der Welt auf die Spur kommen oder aus Versehen einen Krieg auslösen. Irgendwas in der Art.“
    Schatten schnaubte. Aber er wusste, sein Vater hatte Recht. Sogar nach all seinen Abenteuern, vielleicht sogar wegen dieser Abenteuer, fiel ihm immer noch auf, dass die Ältesten der Silberflügel ihm nicht wirklich trauten.
    „Sie trauen Chinook“, sagte Schatten irritiert.
    „Er ist ja auch sehr zuverlässig“, stimmte sein Vater zu.
    Es ärgerte Schatten, dass Chinook zu den ersten Boten gehört hatte. Er war im Baumhort gewesen und hatte seine Partnerin gesehen und sein eigenes Kind. Und er hatte auch Nachrichten von hundert anderen Jungen zurückgebracht, unter ihnen auch von Greif. „Wie hat er ausgesehen?“, hatte Schatten wissen wollen, Augenblicke nachdem ein erschöpfter Chinook ins Felsenlager getaumelt war.
    „Hat gut ausgesehen. Gesund.“
    Schattens aufwallende Erleichterung und Dankbarkeit waren schnell einer heftigen Neugier gewichen.
    „Was noch?“, hatte er Chinook gefragt. „Los, noch ein paar Einzelheiten!“
    „Sie sehen alle irgendwie gleich aus in dem Alter, Schatten. Ich meine, sie haben alle irgendwie eine rote Farbe und eine faltige Haut und noch kein Fell, und, naja, um ehrlich zu sein, sie sehen ziemlich gespenstisch aus.“
    Gespenstisch. Und das war alles, was Chinook ihm erzählen konnte. Aber Schatten wollte alles wissen, und keine Nacht verging, ohne dass sein Kopf voller Fragen war. Wuchs Greif gut heran? War er ein guter Flieger und Jäger? Wie sah er aus – mehr wie Marina oder mehr wie er? Hatte er viele Freunde oder war er ein Einzelgänger? War er neugierig, redselig, tollkühn? Oder ruhig und vorsichtig?
    „Es ist lächerlich, dass wir so lange warten müssen“, murmelte Schatten, als er und sein Vater durch den dämmrigen Wald segelten und Dunkelkäfer und Moskitos fingen. „Jeder sollte in der Lage sein, zum Baumhort zu fliegen, wenn er will. Es ist unsinnig, die Kolonie aufzuteilen.“
    „Nur die Mütter können die Neugeborenen füttern“, erinnerte ihn Cassiel. „Wir wären am Anfang nur nutzlos.“
    „Aber später wären wir nützlich. Wir könnten helfen, ihnen Fliegen und Jagen beizubringen.“
    „Die Weibchen kommen anscheinend ganz gut allein zurecht. So ist es schon immer gewesen, Schatten.“
    „Ich denke, es ist dämlich“, sagte er fest. „Und ich kann mir nicht vorstellen, dass keiner genauso denkt. Vermisst denn sonst niemand seine Partnerin und die Jungen?“
    „Nun, ich denke nicht, dass viele Männchen es damit eilig haben, das Felsenlager zu verlassen“, entgegnete sein Vater grinsend. „Sie wissen, dass es uns hier gut geht. Offenbar ist es sehr laut im Kinderhort. Neugeborene sind ziemlich anstrengend. Eine Menge Schreierei, eine Menge Gerufe,
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