Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Feuerflügel: Roman (German Edition)

Feuerflügel: Roman (German Edition)

Titel: Feuerflügel: Roman (German Edition)
Autoren: Kenneth Oppel
Vom Netzwerk:
schoss. Ein- oder zweimal hatte auch er versucht, einen Bärenspinner zu fangen, aber er war nicht sehr geschickt dabei. Sie sandten selbst eigene Töne aus und brachten damit das Echo-Sehen durcheinander, sodass es schien, als gäbe es einen ganzen Schwarm von ihnen, die alle in verschiedene Richtungen davonstoben, und am Ende konnte es passieren, dass man einem Trugbild hinterherjagte und gegen einen Baum klatschte. Es lohnte sich nicht.
    Außerdem war er kein großer Flieger. Seine Flügel waren zu lang und er fühlte sich unbeholfen im Wald, konnte nicht schnell genug manövrieren. Und auf dem Boden gab es Vierfüßler, Bären und Luchse und Füchse. Er zog es vor, hoch oben zu bleiben, wo er sehen konnte, was los war. Es machte ihm nichts aus, Moskitos zu fressen und Zuckmücken und Raupen. Die „langweiligen“ Insekten, würde Luna sagen. Greif schaute ihr nach und erhaschte einen letzten Blick auf sie, bevor sie im Laub verschwand. Er hoffte, sie würde nachher wieder zurückkommen.
    Unter ihm glitzerte Tau auf einem Ahornblatt. Vorsichtig überprüfte er die nahen Äste, bevor er landete. Weiter unten befand sich ein Nest Waldsänger, aber die schliefen alle; und außerdem griffen Vögel Fledermäuse nicht mehr an, also schien es sicher zu sein. Er bremste, machte kopfüber eine Rolle und packte den Zweig mit den hinteren Krallen. Durstig leckte er die hellen Wasserperlen von dem Blatt ab.
    „Warum trinkst du nicht einfach aus dem Bach?“, fragte Luna, als sie neben ihn herabschnellte.
    „Man weiß nie, was unter der Oberfläche ist“, antwortete Greif finster.
    „Natürlich weiß man das. Fische!“
    „Richtig. Aber was man so hört, können einige von ihnen ziemlich groß werden, und was sollte sie daran hindern, einfach hochzuspringen ...“
    „Hochzuspringen?“
    „Hochzuspringen, ja, direkt hoch aus dem Wasser und uns mit sich runternehmen.“
    „Ein Fisch?“
    ja, ein großer, warum nicht?“
    „Fische fressen keine Fledermäuse, Greif.“
    „Sagt man.“
    „Es muss anstrengen, so wie du zu sein“, sagte Luna, aber sie kicherte dabei. Greif war das schon an ihr aufgefallen. Sie hörte gern, wie er sich Sorgen machte. Anscheinend fand sie das komisch. Das musste der Grund sein, warum sie sich manchmal bei ihm aufhielt. Jedenfalls lag es nicht daran, dass er so mutig oder abenteuerlustig war wie sie. Trotzdem schien sie ihn als Freund zu betrachten und er war höchstdankbar dafür. Sie hatte allerdings hunderte von Freunden, und es kam nur selten vor, dass er sie ganz für sich hatte. Normalerweise flatterte ein halbes Dutzend anderer Jungtiere um sie herum.
    Luna spitzte die großen Ohren, warf sich geschmeidig vorwärts und schnappte einen Ohrenkneifer von dem Zweig über ihr. Greif hob den Kopf und betrachtete das Insekt, als sie seine Hülle knackte.
    „Weißt du“, sagte er gedankenverloren, „wenn du dir das meiste anschaust, was wir essen, dann ist das überhaupt nicht appetitlich. Wenn du dir richtig die Mühe machst und es anschaust, meine ich. All diese marschierenden Beine und die Fühler, die dir im Hals kitzeln, wenn sie runterrutschen ...“
    „Hör auf“, sagte Luna kichernd. „Du bringst es noch so weit, dass ich mich verschlucke.“
    Mit wirbelnden Flügeln kamen drei andere Junge an und landeten. Sie riefen Begrüßungen. Es waren Skye und Rowan und Falstaff, der so voll gestopft war, dass sich der Zweig durchbog und ein paar Mal auf- und abwippte, nachdem er sich niedergelassen hatte. Greif wusste, sie waren wegen Luna gekommen. Hätte nur er allein hier gehangen – vergiss es. Es war nicht so, dass sie ihn nicht mochten – er zweifelte, dass sie dafür überhaupt genügend Gedanken an ihn verschwendeten. Sie konnten einfach nicht erkennen, warum er überhaupt existierte.
    Langweilig, dachte Greif. Das war er für sie. Und sie hatten Recht. Er war nichts Besonderes. Er war kein besonders guter Flieger oder Jäger. Er machte kaum jemals bei ihren Spielen mit. Warum sollte er auch? Sie wollten anscheinend immer nur lächerlich gefährliche Sachen machen.
    Nun drängelten sich die kleinen haarigen Bällchen zwischen ihn und Luna und redeten sofort zwitschernd auf diese ein – Skye über den Elch, den er früher in der Nacht gesehen hatte, Rowan davon, wie schnell er mit einem Rückenwind geflogen war, und Falstaff von all den Insekten, die er gefressen hatte, welche Arten, wo er sie gefunden und wie jedes von ihnen geschmeckt hatte. Luna schien allen dreien zuhören
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher