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Feuereifer

Feuereifer

Titel: Feuereifer
Autoren: Sara Paretsky
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zankten. Ich schüttelte den Kopf: Ich ließ mich selbst viel zu sehr von Love ablenken. Ich nahm April Czernin, auch eine gute Aufbauspielerin, den Ball ab und versuchte, ihr zu zeigen, wie sie rückwärts zur Freiwurflinie dribbeln, sich dann im letzten Moment umdrehen und diesen Sprungwurf machen konnte, mit dem Michael Jordan berühmt wurde. Wenigstens landete der Ball im Korb, sehr von Vorteil, wenn man grade was vorführen möchte. April machte den Spielzug ein paar Mal, worauf schon wieder eine Stimme laut wurde: »Wieso darf die den Ball behalten, und ich komm nicht dran, Coach?«
    Mir war immer noch unbehaglich zumute, wenn sie mich »Coach« nannten. Ich wollte mich an den Job hier nicht gewöhnen, er sollte ein Gastspiel bleiben. Für diesen Nachmittag hatte ich mir vorgenommen, eine Sponsorfirma aufzutreiben, die bereit war, einen Profi oder wenigstens Halbprofi zu bezahlen, der die Mannschaft unter die Fittiche nehmen konnte.
    Als ich mit der Trillerpfeife das Ende des Aufwärmtrainings ankündigte, tauchte Theresa Diaz vor mir auf.
    »Ich hab meine Periode, Coach.«
    »Prima«, sagte ich. »Du bist nicht schwanger.«
    Sie wurde rot und blickte finster; obwohl ständig etwa fünfzehn Prozent der Klasse schwanger waren, fanden die Mädchen das Thema Körper peinlich und sprachen nicht gerne darüber. »Ich muss mal aufs Klo, Coach.«
    »Immer nur eine, du kennst die Regeln. Wenn Celine zurückkommt, kannst du gehen.« »Aber, Coach, meine Shorts, Sie wissen schon.«
    »Du kannst auf der Bank warten, bis Celine wieder da ist«, gab ich zurück. »Und die anderen: Bildet zwei Reihen, wir üben Korbleger und Rebounds.«
    Theresa seufzte gequält und schlenderte betont langsam zur Bank.
    »Bringt diese Form von Machtdemonstration hier was? Spielt das Mädchen besser, wenn sie gedemütigt wird?« Marcena Loves Stimme war so hell und klar, dass die beiden Mädchen in ihrer Nähe das Gezanke um den Ball schlagartig aufgaben, um zu lauschen.
    Josie Dorrado und April Czernin blickten von Love zu mir und warteten gespannt ab. Ich konnte - durfte - jetzt nicht aus der Haut fahren. Vielleicht bildete ich mir ja auch nur ein, dass Love beabsichtigte, mich zur Raserei zu treiben.
    »Wenn ich sie demütigen wollte, würde ich sie zum Klo verfolgen und nachsehen, ob sie wirklich ihre Periode hat.« Ich sprach laut, damit alle mithören konnten. »Ich gebe vor, ihr zu glauben, weil es ja wirklich stimmen könnte.«
    »Glaubst du, sie will nur eine rauchen?«
    Jetzt sprach ich leiser. »Celine, das Mädchen, das vor fünf Minuten auf die Toilette verschwunden ist, legt sich mit mir an. Sie ist Anführerin einer der Mädchen-Gangs in der South Side, den sogenannten Pentas, und Theresa ist eine ihrer Gefolgsfrauen. Wenn Celine es schafft, während des Trainings auf dem Klo ein kleines Gangtreffen abzuhalten, hat sie die Mannschaft im Griff.«
    Ich schnipste mit den Fingern. »Aber du könntest natürlich Notizen von den Wünschen und Träumen der beiden Mädels machen. Da wären sie endlos begeistert. Und du könntest in deiner Reportage einen Vergleich zwischen den Schulklos in der South Side von Chicago und denen in Bagdad und Brixton anstellen.«
    Love bekam große Augen und lächelte dann entwaffnend. »Entschuldige. Du kennst deine Mannschaft. Aber ich dachte, der Sport soll die Mädchen aus den Gangs raushalten.«
    »Josie! April! Zwei Reihen, eine wirft, eine macht Rebounds, ihr wisst, wie's läuft.« Ich wartete ab, bis alle sich aufgestellt hatten und mit den Würfen begannen. »Soll sie auch davon abhalten, schwanger zu werden.« Ich wies Richtung Zuschauertribüne. »Sechzehn Mädchen sind in der Mannschaft, und nur eine ist Mutter. Und das an einer Schule, an der fast die Hälfte der Mädchen Babys haben, bevor sie in die Oberstufe kommen. Es funktioniert also durchaus. Und nur drei - soweit ich weiß gehören einer Gang an. Die South Side ist die soziale Müllhalde der Stadt. Deshalb ist die Halle in diesem miesen Zustand, die Hälfte der Mädchen hat kein Trikot, und wir müssen rumbetteln, damit wir genug Bälle haben, um halbwegs anständig trainieren zu können. Aber mit Basketball alleine kann man diese Kids nicht von Drogen und Schwangerschaften fernhalten und sie zum Lernen anspornen.« Ich ließ Love stehen und wies die Mädchen an, hintereinander zum Korb zu laufen und zu werfen; die Nachfolgende sollte jeweils die Rebounds fangen. Wir übten von der Freiwurflinie und von der Drei-Punkte-Linie aus
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