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Feueraugen III. Das Schloss

Feueraugen III. Das Schloss

Titel: Feueraugen III. Das Schloss
Autoren: Alexander Zeram
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aus.
    "Trotzdem ... wenn diese Treppe auch sonst völlig normal aussieht, dass sie hier plötzlich endet, finde ich merkwürdig!" ruft Dalia nach einer Weile zurück.
    Sofort drängen sich die Verbliebenen hinter ihr. Sie stehen vor undurchdringlicher Dunkelheit. Die Treppe endet im Nichts.
    Dr. Glücklich wird von Michel und Marlène festgehalten, die anderen versuchen im Dunkel vor ihnen weitere Stufen zu ertasten - ergebnislos.
    "Los ... weiter!" Zeramov drängt zur Eile. "Wenn dies kein neuer Übertritt ist, dann weiß ich auch nicht mehr. Die anderen sind hier auf jeden Fall durch - einen anderen Weg gibt's nicht ... rasch, bevor wir sie verlieren!"
    Dieser Hinweis vertreibt die Angst vor der Ungewissheit. Michel und Marlène fassen sich an den Händen, schieben Dr. Glücklich ins Dunkel hinein und auch Dalia verschwindet geräuschlos. Emma ist die Letzte vor Zeramov - staunend verfolgt er, wie auch sie sich von einem Augenblick zum nächsten verflüchtigt.
    "Ich werd' verrückt!" murmelt er vor sich hin. "Kein Nebel, kein Meilenstein ... einfach so? Das wird ein Übertritt!"
    Er steht als Letzter auf der letzten Stufe der Wendeltreppe und versteht jetzt die Aufregung des Dr. Glücklich. 'Hat er nicht davon geträumt, dass wir eine enge Treppe hinaufstiegen, die dann plötzlich abbrach und ins Bodenlose stürzte? - Verdammt noch mal ... ich weiß wirklich nicht mehr ...!"
    Ein schwacher Lichtschein fällt auf einmal direkt vor seine Füße. Verwundert entdeckt er ein kleines Fenster in Kniehöhe. Er bückt sich und sieht hinaus. Tatsächlich! Mondlicht! - Am sternenklaren Nachthimmel steht die Mondsichel in gewohnt blasser Farbe und wirft schwaches Licht auf eine hügelige Landschaft.
    'Wie denn das jetzt? - Wir sind durch ein zerklüftetes Felsengebirge hierher gekommen - was sollen diese sanft gewellten Hügel?' schreit es ihm. 'Ich hab' den Faden ganz verloren und begreife nichts mehr! - Und Du lachst Dir natürlich ins Fäustchen, weil ich ratlos bin, heh!? - Schön langsam hast Du mir alles entzogen, was ich an der Handlung zu bestimmen hatte ... und jetzt stehe ich da!'
    Ohnmächtig vor Wut schließt er die Augen und ballt die Hände zu Fäusten.
    ('Selbstverständlich stehst Du jetzt ratlos da, mein Freund! Vielleicht solltest Du Dich daran erinnern, dass Du letzten Endes doch immer nur eine meiner Romanfiguren bist! Ich habe Dir Gestalt gegeben und meine Absicht war es, Dich als mein Ebenbild in dieser Geschichte zu haben. Ich ließ Dich zeitweise die Handlung im Voraus bestimmen, weil ich das für witzig hielt - mehr nicht! Aber dass Du die Handlung jetzt nicht mehr im Griff hast, liegt nicht eigentlich an mir! Ich bin nicht so launisch, dass ich Dir etwas entziehen würde, nur um mir einen Spaß daraus zu machen - denn gewissermaßen vertrittst Du mich ja in diesem Romangeschehen! Alexej ... mir selbst wird es ungeheuer! Ich habe mich so sehr in Dich als mein Ebenbild hineingelebt, dass zeitweise ein Dritter an der Schreibmaschine zu sitzen schien, während ich mit Dir zusammen hier im Roman Abenteuer erlebte. Jetzt bin ich jedoch in die Hülle an der Schreibmaschine zurückgekehrt, denn die Situation ist beängstigend geworden! So wie Dir jetzt aufgegangen ist, dass Du ?-wie alle anderen Personagen des Romans- von mir abhängig bist, habe ich herausgefunden, dass selbst über mir noch eine Kraft steht, die ihrerseits mein Tun leitet und bestimmt. Ich schrieb nicht mehr, was ich eigentlich schreiben wollte - etwas ganz anderes entdeckte ich auf dem Papier, wenn ich einzelne Kapitel zum Korrekturlesen hernahm. Erschreckend war es, wie ich nach jeder Phase meiner Arbeit am Roman einsehen musste, dass mir die Handlung mehr und mehr entglitt. Das Schicksal als solches ist Wächter und Ordner des Seins - so wie ich bis zu einem gewissen Punkt euer Schicksal gewesen bin. Ich wollte euch das Sein in seinen verschiedenen Formen durchlaufen lassen, wollte euch in Zweifel stürzen. Ihr solltet daran zweifeln, wo die Wirklichkeit endet und die Unwirklichkeit beginnt. Dass ich dabei selbst in Zweifel gestürzt werden würde, konnte ich nicht vorausahnen.
    Ist nicht das menschliche Leben ein besonders treffliches Beispiel für die Vielschichtigkeit des Daseins im Ganzen? - Oh, ich wollte die Dimensionen durchmessen und euch erkennen lassen, wie gewaltig das Leben des Menschen ist - und wie geheimnisvoll obendrein. Aber jetzt seid ihr in der totalen Irrealität und ich selbst weiß nicht mehr, wo ich mich
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