Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Feuer (German Edition)

Feuer (German Edition)

Titel: Feuer (German Edition)
Autoren: Gabriele d'Annunzio
Vom Netzwerk:
ausgefüllt. Und plötzlich kommt eine Stunde, in der es mir vorkommt, als ob es auf der Welt nichts Süßeres gäbe als jene Augen; und ein Teil meiner selbst ist untröstlich. Ich habe gehört, daß die Schiffer des tyrrhenischen Meeres das Adriatische Meer den Golf von Venedig nennen. Heute abend glaube ich, daß mein Haus am Golfe steht, und da scheint es mir ganz nahe gerückt.«
    Sie waren an der Landungsbrücke. Sie warfen noch einen Blick zurück auf die Insel des Gebetes, deren Zypressen stehend gen Himmel ragten.
    »Da unten liegt der Kanal der Tre Porti, der ins offene Meer führt!« – sagte der Heimwehkranke, der sich selbst auf der Brücke seines Schoners sah, angesichts seiner Tamarisken und seiner Myrten.
    Sie schifften sich ein. Lange Zeit verharrten sie schweigend. Inzwischen senkte sich die Melodie auf das linde Inselmeer. Wie das Himmelslicht die Wasser mit sich sättigte, so legte sich der Himmelssang weit über die Lande. Aber Burano und Torcello schienen gegen den Glanz aus Westen wie zwei versandete Galeonen. Nach den Dolomiten hin aber türmten sich die Wolken in geschlossenen Massen.
    »Jetzt, da der Plan deines Werkes feststeht, brauchst du für deine Arbeit nichts als Ruhe« – sagte die Frau, unmerklich das Werk der Überredung fortsetzend, während im Innersten ihrer Brust ihre Seele zitterte. – »Hast du nicht stets dort unten in deinem Hause arbeiten können? Nirgendwo anders kannst du die Unruhe, die dich erstickt, besänftigen. Ich weiß es.«
    Er sagte:
    »Du hast recht. Wenn die Sucht nach Ruhm uns packt, meinen wir, daß man die Kunst erobert, wie man eine belagerte, mit Türmen versehene Stadt erobert, und daß Trompetenstöße und Geschrei den Mut des Angriffes erhöhen, während doch einzig das Werk einen Wert hat, das in ernstem Schweigen heranreift; während doch einzig langsame und unbezwingliche Beharrlichkeit, strenge und lautere Einsamkeit, einzig die völlige Hingabe von Leib und Seele an die Idee, die wir inmitten der Menschen für alle Ewigkeit als eine beherrschende Kraft lebendig schaffen wollen, einen Wert haben.«
    »Ach, du weißt es!«
    Die Augen der Frau füllten sich mit Tränen bei seinen gedämpften Worten, in denen sie die Tiefe männlicher Leidenschaft fühlte und das heroische Bedürfnis moralischer Überwindung und den festen Entschluß, über sich selbst hinauszugehen und sein Geschick ohne Unterlaß zu zwingen.
    »Du weißt es!«
    Und der Schauer überlief sie, der einen bei gewaltigen Schauspielen übermannt; und vor diesem kühnen Wollen schien ihr alles andere nichtig; und die anderen Tränen, die ihre Augen verschleiert hatten, als er ihr die Blüten anbot, kamen ihr weibisch und verächtlich vor neben denen, die jetzt ihre Wimpern feuchteten, und die allein würdig waren, von dem Freunde getrunken zu werden.
    »So geh also an dein Meer, auf deinen eigenen Grund, in dein Haus. Entzünde deine Lampe von neuem mit dem Öl deiner Olivenbäume!«
    Er preßte die Lippen aufeinander und furchte die Stirn.
    »Die gute Schwester wird wieder kommen und einen Grashalm auf die schwierige Seite legen.«
    Er senkte die gedankenschwere Stirn.
    »Du wirst dich ausruhen, wenn du am Fenster mit Sofia plauderst, und vielleicht seht ihr wieder die Herden vorüberziehen, die vom Berg in die Ebene getrieben werden.«
    Die Sonne war im Begriff, die Riesenburg der Dolomiten zu berühren. Die Wolkenmasse zerteilte sich wie im Kampfe, zahllose leuchtende Strahlen durchdrangen sie und färbten sie blutigrot. Die gigantische Schlacht, die um jene unbezwinglichen Zinnen herum geschlagen wurde, nahm im Wasser noch gewaltigere Formen an. Die Melodie hatte sich im Schatten der nun schon entschwundenen Inseln gelöst. Die ganze Lagune bedeckte sich mit düsterer, kriegerischer Pracht, als ob Myriaden von Standarten sich senkten. Und das Schweigen wartete auf den Klang von kaiserlichen Fanfaren.
    Nach einer langen Pause sagte er leise:
    »Und wenn sie mich nach dem Schicksal der Jungfrau fragt, die die Klage der Antigone liest?«
    Die Frau erbebte.
    »Und wenn sie mich nach der Liebe des Bruders fragt, der die Gräber durchsucht?«
    Die Frau zitterte vor Angst bei der Vorstellung.

    »Und wenn die Seite, auf die sie ihren Grashalm legt, gerade die ist, auf der die zitternde Seele ihren verzweiflungsvollen und geheimen Kampf gegen das furchtbare Übel erzählt?«
    Die Frau fand in ihrem plötzlichen Entsetzen keine Worte. Beide schwiegen; und sie starrten auf die schroffen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher