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Feuer der Götter: Roman (German Edition)

Feuer der Götter: Roman (German Edition)

Titel: Feuer der Götter: Roman (German Edition)
Autoren: Stefanie Simon
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dem Boden wieder. Ihr blieb keine Zeit für einen Schrei. Die hakenartigen Mandibeln des Insekts drückten gegen ihre Wange. Über das Tier hinweg blickte sie in die Augen des Dämons.
    Nicht Mordlust stand darin. Nicht Wahnsinn, wie bei jenem, der ihr Haus angezündet hatte. Eher verzweifelter Zorn. In der rotbraunen Iris tanzten helle Punkte.
    Wie Glut in der Asche, dachte sie.
    »Töte mich nicht«, flüsterte Naave. Er hockte auf ihr. In der Hand hielt sie noch den Bogen; sie könnte damit auf ihn einschlagen. Was wahrscheinlich sinnlos war. Außerdem fühlten sich ihre Finger kraftlos an. Der Gedanke, er könne jetzt in Flammen aufgehen, ließ ihren ganzen Körper in kalten Schweiß ausbrechen.
    »Nein.«
    Seine Antwort überraschte sie. Dass er überhaupt geantwortet hatte. Sie versuchte den Kopf zu heben, und er wich zurück, löste den Druck der Insektenkiefer. Naave schob sich auf den Ellbogen von ihm fort und rollte sich auf die Seite, die Hände ins Gras gestemmt. Nach wie vor hielt er die Faust drohend erhoben. Was war das für ein Käfer, der sich an seinen Arm klammerte? Flach war er, mit metallisch schillernden, straff angelegten Flügeln. Ein langer, dünner Hinterleib schaute heraus, umwand den Arm und schien in der Armbeuge zu verschwinden. Es musste eine Waffe sein. Eine scheußliche, lebende Waffe.
    »Aber versuch nicht zu fliehen«, sagte er. Auch aus seiner heiseren Stimme sprach Erschöpfung. Er schleuderte ihren Pfeil und den Bogen hinter sich ins Schilf, beugte sich vor und zerrte das Fischmesser aus ihrem Gürtel, um auch dieses fortzuwerfen. »Deinen Köcher.«
    Naave schüttelte den Kopf.
    »Den Köcher!«
    Sie ließ den Riemen von der Schulter gleiten. Der Köcher flog ihren Waffen hinterher. Schlimmer noch, sie hörte einige Pfeile ins Wasser klatschen. Alle vierzehn Götter sollten diesen Kerl verfluchen! Es würde Wochen dauern, den Pfeilvorrat aufzufüllen. Sofern sie jemals wieder in die glückliche Lage kommen sollte, sich um ihre Angelegenheiten zu kümmern.
    Die Stimme ihrer Mutter hallte in ihrem Kopf: Lauf, lauf!
    Naave sprang auf die Füße und rannte in Richtung ihres Kanus.
    Sie kam nur ein paar Schritte weit. Diesmal landete sie auf dem Bauch. Der Dämon hockte auf ihr, packte ihre Haare und drehte sie herum.
    »Halt endlich still!«
    Naave wollte ihn anschreien. Er verschloss mit einer kräftigen Hand ihren Mund.
    »Stadtfrau … Ich will nur eines von dir, und das ist harmlos. Danach bin ich wieder fort.« Er wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn, während er sie mit der anderen Hand niederhielt. »Wirst du nun ruhig bleiben?«
    Langsam nickte Naave.
    »Gut.« Er stieg von ihr herunter. Seine Hand blieb ausgestreckt, die Finger gespreizt, als wolle er ein verschrecktes Tier beruhigen. Dann wandte er sich um und ging in die Knie. »In meinem Rücken steckt ein Dorn. Du musst ihn herausziehen.«
    Er neigte den Kopf. Da er der Statue zugewandt war, wirkte er fast wie einer, der zum Beten gekommen war. Naave fand es geradezu empörend, dass er sich so sicher fühlte. Als sei sie ohne ihren Bogen ein hilfloses Mädchen. Aber sie war schließlich im Graben aufgewachsen. Kein Bewohner des Grabens war hilflos.
    Sie fand einen Stein. Ihre Faust schloss sich darum. Vorsichtig näherte sie sich dem Dämon. Er griff sich in den Nacken und zog den zerzausten Haarstrang über die Schulter nach vorn. Naave wollte den Stein heben. Doch was, wenn er dies spürte?
    Oder lag ihr Zögern daran, dass er wie ein Mensch aussah? Wäre nicht dieses Mal, das sein Gesicht entstellte, wirkte er sogar wie ein sehr ansehnlicher Mensch. Den Stein auf seinen Kopf zu schlagen, wäre nicht so, als tötete man einen Fisch.
    Sie legte den Stein neben sich. Auf den Fersen hinter dem Dämon kauernd, berührte sie seine Schulter. Fast hätte sie vor Schreck aufgeschrien, weil seine Haut heiß war. Aber es war nur die Hitze eines Fiebers. Oder die Anstrengung einer Flucht. Sie sah eingetrocknetes Blut auf seinem Rücken. Wer mochte ihm diesen Dorn in die Schulter gejagt haben? Ein Tier? Im Wald, hieß es, gab es die seltsamsten und gefährlichsten Dinge. Naave hatte von einer Pflanze gehört, die dünne Nadeln abschoss, wenn ein Windhauch kam. Winzige, harmlos wirkende Vögel konnten Gift aus ihrem Gefieder träufeln; und das Axot besaß eine hakenbewehrte Schwanzspitze.
    Oder sein eigenes Volk, die Waldmenschen, hatte ihn fortgejagt, weil nicht einmal sie einen Dämon in ihrer Mitte haben
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