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Feuer auf See

Feuer auf See

Titel: Feuer auf See
Autoren: Jack London
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mich zurückbringt. Mein Vater verließ einmal Pitcairn, und es vergingen zwei Jahre, ehe er zurückkommen konnte. Außerdem sind Sie knapp an Nahrungsmitteln. Wenn Sie gezwungen werden, in die Boote zu gehen, und es kommt schlechtes Wetter, so brauchen Sie Tage, um Land zu erreichen. Ich kann morgen früh zwei Kanus mit Nahrungsmitteln bringen. Getrocknete Bananen sind am besten. Wenn der Wind auffrischt, fahren Sie los. Je näher Sie sind, desto größere Ladung kann ich Ihnen bringen. Auf Wiedersehen!«
    Er streckte die Hand aus. Der Kapitän nahm sie und ließ sie nur widerstrebend los. Er schien sich an sie zu klammern, wie ein Ertrinkender an einen Rettungsring.
    »Wie kann ich wissen, ob Sie morgen wiederkommen?« fragte er.
    »Ja, so ist es!« rief der Steuermann. »Wie können wir wissen, ob er sich nicht drückt, um seine eigene Haut in Sicherheit zu bringen.«
    McCoy antwortete nicht. Er sah sie sanft und segnend an, und es schien ihnen, als ströme etwas von der ungeheuren Ruhe seiner Seele auf sie über.
    Der Kapitän ließ seine Hand los, und mit einem letzten Blick umfaßte McCoy die Mannschaft, kletterte über die Reling und stieg in sein Kanu.
    Der Wind frischte auf, und die ‘Pyrenees’ gewann trotz ihres unklaren Bodens der westlichen Strömung ein Dutzend Meilen ab. Am Morgen lag Pitcairn drei Meilen in Luv, und Kapitän Davenport machte zwei Kanus aus, die auf ihn zukamen. Wieder kletterte McCoy herauf und sprang über die Reling auf das heiße Deck. Ihm folgten viele Pakete mit getrockneten Bananen, jedes in trockene Blätter eingewickelt.
    »So, Kapitän«, rief er, »jetzt brassen Sie die Rahen und fahren ums Leben. Ich bin kein Seemann, wissen Sie«, erklärte er einige Minuten später, als er achtern beim Kapitän stand, dessen Blick von der Takelung seitwärts wanderte, um die Fahrt der ‘Pyrenees’ zu schätzen. »Bis nach Mangareva müssen Sie sie bringen. Wenn Sie das Land ausgemacht haben, will ich Sie hineinlotsen. Was meinen Sie, wieviel Knoten macht sie?«
    »Elf«, antwortete Kapitän Davenport mit einem letzten Blick auf das schnell vorbeigleitende Wasser.
    »Elf. Warten Sie; wenn sie die Fahrt beibehält, so sichten wir Mangareva morgen früh zwischen acht und neun Uhr. Um zehn, spätestens um halb elf hab’ ich Sie auf dem Strand, und dann sind Sie Ihre Sorgen los.«
    Es schien dem Kapitän fast, als sei dieser wundervolle Augenblick bereits gekommen, so groß war die Überzeugungskraft McCoys.
    Davenport hatte über vierzehn Tage unter dem schrecklichen Druck gelebt, ein brennendes Schiff zu führen, und er begann zu spüren, daß er genug davon hatte.
    Ein kräftiger Windstoß traf ihn im Nacken und pfiff ihm um die Ohren. Er maß die Stärke und blickte schnell über Bord.
    »Der Wind wird immer stärker«, verkündete er. »Der alte Kasten macht jetzt eher zwölf als elf. Wenn das so bleibt, müssen wir noch heute nacht reffen.«
    Den ganzen Tag glitt die ‘Pyrenees’ mit ihrer Ladung lebenden Feuers durch die schäumende. See. Bei Anbruch der Nacht wurden Oberbram-und Bramsegel eingezogen, und sie flog ins Dunkle hinein, während große schaumgekrönte Wogen sie umbrüllten. Der günstige Wind tat seine Wirkung, und. vorn wie achtern verspürte man eine deutliche Besserung der Stimmung. Während der zweiten Hundewache begann eine sorglose Seele zu singen, und gegen acht Glas sang die ganze Mannschaft.
    Kapitän Davenport hatte sich sein Bettzeug oben auf die Hütte bringen lassen.
    »Ich habe vergessen, was schlafen heißt«, erklärte er McCoy. »Ich bin ganz fertig. Aber rufen Sie mich jederzeit, wenn Sie es für nötig halten.«
    Um drei Uhr morgens wurde er durch einen sanften Ruck am Arm geweckt. Er setzte sich schnell auf und stützte sich, noch mit dumpfem Kopf, gegen das Deckfenster. Der Wind heulte sein Kampflied in der Takelung, und ein wilder Seegang boxte die ‘Pyrenees’. Sie rollte, daß erst die eine und dann die andre Reling unter Wasser verschwand und das Deck die meiste Zeit überschwemmt war. McCoy rief etwas, was er nicht hören konnte. Er streckte den Arm aus, faßte den andern bei der Schulter und zog ihn so nahe, daß sein Ohr dicht an den Lippen des andern war.
    »Es ist drei Uhr«, erklang McCoys Stimme, die immer noch taubengleich, aber seltsam gedämpft war, als käme sie von weit her. »Wir haben zweihundertundfünfzig Meilen gemacht. Die Crescentinsel ist nur dreißig Meilen entfernt, irgendwo vor uns. Es ist kein Feuer auf ihr. Wenn wir
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