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Feuer auf See

Feuer auf See

Titel: Feuer auf See
Autoren: Jack London
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die Fahrt beibehalten, stoßen wir auf und sind selbst mit dem Schiff verloren.«
    »Was meinen Sie – beidrehen?«
    »Ja, beidrehen bis Tagesanbruch. Das kostet uns nur wenige Stunden.«
    So wurde denn die ‘Pyrenees’ mit ihrer brennenden Ladung beigedreht, befand sich gerade im Rachen des tosenden Sturmes und kämpfte krachend gegen die zermalmenden Wogen. Sie war eine mit Feuersbrunst gefüllte Muschel, an deren Außenseite sich die kleinen Atome von Menschen mühsam anklammerten und ihr im Kampfe durch Ziehen und Zupfen halfen.
    »Dieser Sturm ist etwas ganz Ungewöhnliches«, sagte McCoy in Lee der Hütte zu dem Kapitän. »Wenn es richtig zuginge, dürfte es zu dieser Jahreszeit keinen Sturm geben. Aber das Wetter ist dieses Jahr in jeder Beziehung ungewöhnlich. Der Passat ist unterbrochen gewesen, und jetzt pfeift es direkt aus der Passatecke.« Er wies in die Finsternis, als ob sein Blick Hunderte von Meilen durchdringen könnte. »Es kommt aus Westen. Da ist irgend etwas Großes im Gange – ein Orkan oder so etwas. Wir haben Glück, daß wir so weit ostwärts sind. Aber dies ist nur eine Mütze voll«, fügte er hinzu. »Es dauert nicht lange. Das will ich Ihnen gleich sagen.«
    Bei Tagesanbruch war der Sturm zu normalem Wind abgeflaut. Aber das Tageslicht enthüllte eine neue Gefahr. Es war diesig geworden. Die See war mit einem Nebel oder besser mit einem perlgrauen Schleier bedeckt, der den Blick ebenso hinderte wie Nebel, aber doch nur wie ein Schleier auf dem Meere lag, den die Sonne durchdrang und mit glühenden Strahlen füllte.
    Das Deck der ‘Pyrenees’ rauchte schlimmer als am vorigen Tage, und die Heiterkeit von Offizieren und Mannschaft war geschwunden. In Lee der Kombüse konnte man den Kajütenjungen wimmern hören. Es war seine erste Reise, und die Todesfurcht saß ihm im Herzen. Der Kapitän wanderte wie eine verlorene Seele umher, nervös auf seinem Schnurrbart kauend, finster blickend und unfähig, einen Entschluß zu fassen.
    »Was meinen Sie?« fragte er, neben McCoy haltmachend, der ein Frühstück aus gebratenen Bananen und einem Krug Wasser zu sich nahm.
    McCoy aß die letzte Banane auf, leerte den Krug und blickte sich langsam um. In seinen Augen lag ein sanftes Lächeln, als er sprach:
    »Ja, Kapitän, wir können freilich ebensogut treiben wie brennen. Ihr Deck hält es nicht ewig aus. Es ist heute morgen schon heißer. Haben Sie nicht ein Paar Schuhe, das ich anziehen kann? Es wird ungemütlich für meine Füße.«
    Die ‘Pyrenees’ nahm zwei schwere Seen über, als sie abschwojte und wieder vor den Wind gelegt wurde, und der erste Steuermann drückte den Wunsch aus, all dieses Wasser unten im Raum zu haben, wenn man es nur hineinbringen könnte, ohne die Lukendeckel abzunehmen. McCoy steckte den Kopf ins Nachthaus und beobachtete den Kurs.
    »Ich hätte sie etwas mehr an den Wind genommen, Kapitän«, sagte er. »Während wir beigedreht hatten, ist sie abgetrieben.«
    »Ich hab’ sie schon einen Strich höher gesetzt«, lautete die Antwort. »Ist das nicht genug?«
    »Ich hätte zwei Striche genommen, Kapitän. Dieses bißchen Wind treibt die Westströmung schneller, als Sie denken.«
    Kapitän Davenport einigte sich mit ihm auf anderthalb Striche und stieg dann in Begleitung McCoys und des ersten Steuermanns hinauf, um nach Land auszuspähen. Es waren Segel gesetzt, so daß die ‘Pyrenees’ zehn Knoten machte. Die See legte sich jetzt schnell. Der Perlenschleier riß nirgends, und Kapitän Davenports Nervosität nahm zu. Alle Mann waren auf ihrem Posten, bereit, beim ersten Anzeichen von Land wie die Teufel drauflos zu arbeiten, um die ‘Pyrenees’ an den Wind zu bringen. Das Land, ein überbrandetes Außenriff, mußte gefährlich nahe sein, wenn man es in diesem Nebel sichtete.
    Wieder verging eine Stunde. Die drei starrten von ihrem Ausguck unverwandt in den perlgrauen Schimmer.
    »Wenn wir nun Mangareva verfehlen?« fragte Kapitän Davenport plötzlich.
    McCoy erwiderte sanft, ohne eine Miene zu verziehen:
    »Dann lassen wir uns treiben, Kapitän. Das ist alles,war wir tun können. Vor uns liegen die Paumotuinseln. Wir können tausend Meilen durch Riffe und Atolle treiben. Irgendwo müssen wir schließlich landen.«
    »Also dann treiben wir.« Kapitän Davenport schickte sich an, auf Deck hinunterzusteigen. »Wir haben Mangareva verfehlt. Gott weiß, wo das nächste Land liegt. Ich wollte, ich hätte noch diesen halben Strich zugegeben«, gestand er einen
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