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Fettnäpfchenführer Spanien - Wie man den Stier bei den Hörnern packt

Fettnäpfchenführer Spanien - Wie man den Stier bei den Hörnern packt

Titel: Fettnäpfchenführer Spanien - Wie man den Stier bei den Hörnern packt
Autoren: Lisa Graf-Riemann
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Märchen der hermanos Grimm, die kennst du bestimmt, heißt es, dass es erst dann richtig schneit, wenn die señora Holle dort oben die Daunenbetten ausschüttelt.«
    » ¿Señora Olé? « In Toms Gelächter hinein fragt Neus: »Sag mal, magst du die Nochebuena mit mir und meiner Familie feiern?«
    » Noche buena , gute Nacht?«
    » Hombre , das ist Heiligabend, der 24. Dezember. Willst du?«
    » Con mucho gusto «, stammelt Tom. Er ist ganz gerührt. Und aufgeregt. Was man da wieder alles falsch machen kann!
    Damit nichts schiefläuft
    Damit sich Tom an seinem »großen Tag« in der Familie nicht zu sehr blamiert, lädt er rechtzeitig Javi zum Essen ein, dafür soll der ihm alle verfügbaren Tipps geben, was er als Gast in der Nochebuena tun darf und was nicht.
    »Also«, doziert Javi. »An diesem Abend geht es richtig feierlich in den spanischen Familien zu. Die Wohnung wird herausgeputzt und festlich geschmückt, das beste Porzellan wird aufgedeckt und alle werfen sich so richtig in Schale. Aber so richtig, verstehst du?«
    »Hm.«
    »Das heißt, du wirst dich auch richtig in Schale werfen, ist das klar? Sonst bin ich als dein Nachhilfelehrer total blamiert.«
    »Ja, klar, ich werfe mich in Schale, und dann?«
    »Dann wird aufgetischt, aber so richtig. Da wirst du Augen machen, das kann ich dir versprechen. Natürlich mehrere Gänge, feinster Schinken als Vorspeise, dann einen gefüllten Truthahn oder Lammbraten oder sonst was Feines, Fisch, Meeresfrüchte, was der strapazierte Geldbeutel hergibt. Und dann natürlich turrón (Mandelnugat) und mazapán (Marzipan), Cognac, Sherry ...«
    »Jetzt hör’ aber auf oder warte wenigstens, bis der Kellner die Vorspeise gebracht hat«, protestiert Tom, aber es hilft nichts.
    »Ich hab mal gelesen, die Familien geben so an die 100 Euro pro Person und Essen aus für diesen Tag. Nur fürs Essen. Kannst du dir das vorstellen? Das ist mehr als für die lotería und mehr als für die Weihnachtsgeschenke. Da siehst du mal, wo unsere Prioritäten liegen.«
    »Macht ihr außer Essen sonst noch was an Weihnachten?«, fragt Tom.
    »Na sicher: Um Mitternacht tragen alle ihre dicken Bäuche in die misa del gallo (Mitternachtsmesse). Und danach trifft man sich draußen, in den Dörfern auf der Plaza Mayor und singt Weihnachtslieder – die heißen bei uns villancicos [bijan thi kos] und sind sehr lustig – und manche tanzen auch dazu.«
    »Und du verkohlst mich jetzt nicht?«
    Javi schüttelt den Kopf. »Ich meine, es ändert sich ja alles, seit wir so richtig zu Europa, also zur EU gehören. Jetzt gibt es bei uns auch schon Weihnachtsbäume, und sogar echte, nicht nur solche aus Plastik, und allen möglichen Schnickschnack, den bei uns früher keiner kannte. Genauso der Weihnachtsmann, der Santa Claus oder Papá Noel , der ist aus dem Norden und aus Hollywood zu uns herübergeschwappt.«
    Javi erzählt noch mehr, aber Tom kann gar nicht alles behalten. Und da kommt endlich auch der Kellner mit dem Essen. So viele Details! Na, es wird schon klappen.
    Was ist trotzdem schiefgelaufen?
    Am 24. erscheint Tom geschniegelt, fein gemacht und voll bepackt bei Neus’ Eltern zum Festtagsschmaus. Er hat für alle ein Geschenk besorgt, die letzten Tage hat er dafür die Kaufhäuser abgeklappert. Und da steht er nun und weiß nicht, wohin damit. Das hat er vergessen, Javi zu fragen. Gibt es einen Baum, werden die Geschenke daruntergelegt?
    Es gibt keinen Baum bei Neus’ Eltern. Und es gibt auch keine Geschenke. Tom steht da wie ein begossener Pudel, als Neus ihm erklärt, ihre Familie sei sehr traditionell eingestellt in Bezug auf die Feiertage. Einen Baum hätten sie noch nie gehabt und die Geschenke brächten bei ihnen die Heiligen Drei Könige am 6. Januar. So, wie es in Spanien schon immer Brauch war.
    Tom wird schwarz vor den Augen. Er hätte sich jetzt gern eine Tarnkappe übergezogen. Da kommt Neus’ Töchterchen Laura und wirft begehrliche Blicke auf seine Päckchen.
    »Okay.« Tom ergreift die Flucht nach vorne. »Dann hat das deutsche Christkind, el Niño Jesus alemán , da nicht richtig Bescheid gewusst, und heute schon seine Geschenke für die Großen und Kleinen abgeliefert. Ihr dürft aber alle bis zum 6. Januar mit dem Auspacken warten.«
    » ¡Mamáaaaaaaaaaaaaaaa! «, bettelt die kleine Laura und setzt den treuesten aller Kleine-Mädchen-Blicke auf.
    »Na gut«, entscheidet die strenge Mama kurzerhand. »Wir machen dieses Jahr zu Ehren unseres Gastes eine Ausnahme. Es ist ja
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