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Fessle mich!

Fessle mich!

Titel: Fessle mich!
Autoren: Arne Hoffmann
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sich selbst oder andere zu verletzen.
    Die amerikanische Sex-Expertin Lorelei Sharkey nennt in ihrem Buch über erotische Unterwerfungsspiele zwei besonders typische verspätete Gefühlsreaktionen unerfreulicher Art, die mit einem Absturz in Zusammenhang stehen können. Die eine äußert sich in einem nachträglichen Erschrecken darüber, welche Rolle man gerade gespielt hat und wie weit man gegangen ist – auch wenn der Partner das nicht im Geringsten beanstandet. Männer, die das noch nie zuvor getan haben, können erschüttert darüber sein, wie ein Hund vor einer Frau durch den Flur gekrochen zu sein. Oder sie hatten die dominante Rolle inne und können ihre Handlungen jetzt nicht mehr damit übereinbringen, was sie als Kind gelernt hatten, nämlich Frauen zu respektieren und sie zu beschützen, statt sie zu demütigen oder ihnen wehzutun. Frauen mögen aus ähnlichen Gründen verwirrt sein: Wie konnten sie sich von einem Mann als Sklavin halten lassen und dabei noch Lust empfinden? Oder umgekehrt: Wie konnten sie beim Schikanieren ihres geliebten Partners solche »unweiblichen« Gefühle wie Sadismus, Gehässigkeit, arrogante Herrschsucht und schließlich Befriedigung darüber verspüren?
    Oft empfinden die Betroffenen in dieser Situation Scham, Minderwertigkeitsgefühle oder Selbstekel. Vielleicht schieben sie ihre negativen Empfindungen auch auf ihren Partner und begegnen ihm mit Ärger oder Verachtung. Leider finden Menschen, deren Sexualität auf Fantasien und Wünsche im Zusammenhang mit Macht und Unterwerfung ausgerichtet ist, in unserer Gesellschaft kaum positive Rollenmodelle. Stattdessen wecken solche Dinge in uns Erinnerungen an brutale Verbrecher, die andere Menschen gefangen nehmen und grausam quälen, oder an Fälle von häuslicher Gewalt, bei denen das Opfer mit dem Täter zusammenbleibt, weil es sich gefühlsmäßig nicht von ihm lösen kann.
    Die zweite unerquickliche Reaktion, die ein erotisches Rollenspiel verursachen kann, ist ein Flashback . Man fühlt sich dabei an ein schreckliches Erlebnis erinnert, das man einmal durchleiden musste, und plötzlich sind alle schlimmen Gefühle von damals wieder da. Das kann zum Beispiel zu einem Anfall von Ängsten und Depressionen führen. Im Fachjargon bezeichnet man so etwas als »triggern«. Je nachdem, wie tief die Wunde damals ging, können hier schon Reize ausreichen, die andere Menschen als vollkommen harmlos bewerten würden. Beispielsweise kenne ich Menschen, die sexuellen Missbrauch oder andere Formen von sexueller Gewalt erlitten haben und die nur über einen anderen solchen Fall zu erfahren brauchen, damit sie für die nächsten paar Stunden bis ins Innerste aufgewühlt und völlig durcheinander sind. In vielen Internetdiskussionen zu diesen Themen ist man deshalb dazu übergegangen, vor entsprechenden Postings eine Warnung wie »Vorsicht! Text kann triggern« zu setzen. Sie brauchen allerdings nicht unbedingt ein Missbrauchsopfer zu sein, um ähnliche Flashbacks zu erleben. Viele von uns haben üble Erinnerungen irgendeiner Art: ob sie von der Mutter geschlagen, vom Vater schikaniert oder von Angehörigen des anderen Geschlechts verhöhnt wurden. Manchmal glaubt man, solche Erlebnisse und die damit verbundenen Empfindungen hinter sich gelassen zu haben, aber dann gibt es irgendwann einen Auslöser und plötzlich ist alles wieder da. So etwas kann eben auch bei Rollenspielen passieren.
    Natürlich habe ich die von mir interviewten SMer und SM-Experten auch zum Thema Abstürze befragt und darauf ganz unterschiedliche Antworten erhalten. »Leider gibt’s für Abstürze kein allgemeingültiges Rezept«, teilte mir etwa Chris von der SM-Beratungsstelle Mayday mit. »Nicht mal bei gleichgelagerten Situationen. Es kann richtig sein, das Spiel abzubrechen und erst mal vier Wochen in Urlaub zu fahren. Es kann richtig sein, sich den ganzen Tag im Arm zu halten und sich zu versichern, dass das alles nur Spiel und nicht ernst gemeint war. Es kann richtig sein, das Spiel weiterzuführen und so den Partner spüren zu lassen, dass es nur Spiel ist. Es kann richtig sein, einen Therapeuten zu suchen, mit einem Freund zu quatschen, was auch immer. Einen Hinweis gibt die Frage: Was tue ich sonst, wenn ich scheiße drauf bin?«
    »Keiner der beiden Partner darf den anderen beschimpfen und ihm seine Fehler vorwerfen«, erklärte Patrick, der in der Szene als Bondage-Meister gilt. »Kritisieren ja, aber mit Verständnis. Ein schlechtes Gewissen zu erzeugen, ist
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