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Fesseln der Erinnerung

Fesseln der Erinnerung

Titel: Fesseln der Erinnerung
Autoren: Nalini Singh
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Jahrzehnte gut verborgen hatte. „Was ist mit Ihnen?“
    Das Andere in ihr erstarrte, wollte die ungeschminkte, tödliche Wahrheit preisgeben, aber jemand, der sein Leben wie Max Shannon der Gerechtigkeit verschrieben hatte, durfte das niemals erfahren. „Ich tue nur meine Arbeit.“ Dann fügte sie noch etwas hinzu, das eine perfekte Mediale niemals gesagt hätte. „Wir werden sie nach Hause holen. Niemand sollte für immer dort draußen im Dunkeln liegen.“
    Max sah Sophia Russo nach, als sie mit den zivilen Beobachtern hinausging, er konnte den Blick einfach nicht von ihr lösen. Ihre Augen hatten es ihm angetan. Rivers Augen , hatte er gedacht, als sie hereingekommen war, sie hat Rivers Augen . Aber er hatte sich geirrt. Sophias Augen waren dunkler, tiefviolett, und so lebendig, dass er fast ihre weichen, vollen Lippen übersehen hätte. Hatte er aber dann doch nicht.
    Er war wie vor den Kopf geschlagen.
    Denn auch wenn sie Kurven hatte und Narben im Gesicht, hinter denen er gewalttätige Erlebnisse in ihrer Vergangenheit vermutete, war sie immer noch eine Mediale. Eiskalt und an einen Rat gebunden, der mehr Blut an den Händen hatte als Gerard Bonner. Dennoch … ihre letzten Worte gingen ihm nicht aus dem Kopf.
    Wir werden sie nach Hause holen.
    Es hatte sich wie ein Schwur angehört. Aber vielleicht hatte er es auch nur so sehen wollen.
    Als sie aus seinem Blickfeld verschwunden war, wandte er seine Aufmerksamkeit wieder Reuben zu, der bei ihm geblieben war. „Trägt sie immer Handschuhe?“ Das dünne schwarze Kunstleder verdeckte alles, was unter den Manschetten und den Ärmeln des Jacketts hätte hervorlugen können. Vielleicht hatte sie auch Narben auf den Händen und Handgelenken – doch Sophia Russo wirkte nicht wie jemand, der so etwas verstecken würde.
    „Ja. Jedenfalls immer, wenn ich ihr begegne.“ Einen Augenblick lang zeigten sich nachdenkliche Falten auf der Stirn des Staatsanwalts, dann schien er seine Gedanken abzuschütteln. „Sie hat eine exzellente Beurteilung – musste bis jetzt noch nie abgezogen werden.“
    „Bei dem Prozess hat sich ja gezeigt, dass Bonner schlau genug ist, sein Gedächtnis zu manipulieren“, sagte Max und sah zu, wie man den Gefangenen aus dem Vernehmungsraum führte. Der blauäugige Schlächter, den die Medien so mochten, starrte höhnisch lächelnd in die Kamera, bis sich die Tür hinter ihm schloss. „Selbst wenn der Typ in seinem Innersten nicht verdreht sein sollte, er kennt sich mit Pharmazeutika aus – hätte sich was beschaffen können.“
    „Würde ich dem Scheißkerl sogar zutrauen“, sagte Bart, die Linien um seinen Mund waren tiefe Furchen. „Für Bonners nächsten kleinen Auftritt werde ich ein paar männliche J-Mediale anfordern.“
    „Hat Xiu einen solchen Einfluss?“ Der Prozess von Gerard Bonner, Spross des Bostoner Geldadels und der sadistischste Mörder, den dieser Bundesstaat in den letzten Jahrzehnten erlebt hatte, hatte ein Hinzuziehen von J-Medialen unumgänglich gemacht, nachdem sich gezeigt hatte, dass die Erinnerungen des Verurteilten sich als unzugänglich erwiesen hatten.
    „Psychopathen haben eine eigene Wahrheit“, hatte ein J-Medialer zu Max gesagt, nachdem er nichts Nützliches aus dem Kopf des Angeklagten hatte holen können.
    „Zum Beispiel?“, hatte Max gefragt, den es frustrierte, dass ein Mörder mehrerer junger Frauen wieder einmal durchs Netz geschlüpft war.
    „Den Erinnerungen Bonners zufolge hatte Carissa White einen Orgasmus, als er sie erstochen hat.“
    Max schüttelte diesen Beweis der verdrehten Wirklichkeit in Bonners Schädel ab und sah Bart an, der eine gerade angekommene SMS auf seinem Handy las. „Xiu?“, riet er.
    „Allerdings, scheint, als habe er hochrangige ‚Freunde ‘ im Ministerium der Medialen. Sein Unternehmen machte mit ihnen Geschäfte.“ Bart steckte das Handy ein und schob seine Papiere zusammen. „Doch in diesem Fall ist er nur der gramgebeugte Vater. Daria war sein einziges Kind.“
    „Ich weiß.“ Die Gesichter der Opfer hatten sich Max eingeprägt. Die einundzwanzigjährige Daria hatte ein unbekümmertes Lächeln, das ihre Zahnlücken zeigte, einen Schopf krausen schwarzen Haars und eine Haut wie glänzendes Mahagoni. Sie hatte nichts mit den anderen Opfern gemein – im Gegensatz zu den meisten pathologischen Mördern war es Bonner egal gewesen, ob seine Opfer weiß oder schwarz waren, lateinamerikanische oder asiatische Wurzeln hatten. Ihr Alter und eine bestimmte Art
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