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Ferien mit Biss

Ferien mit Biss

Titel: Ferien mit Biss
Autoren: Franziska Gehm
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Sie die Indiskretion, aber was ist das?«, fragte Ludovic Lobond und zeigte auf einen kleinen grauen Kasten, den Mihai Tepes wie ein Tablett auf der Handfläche hielt.
    »Katzenklo«, sagte er.
    »Aha.« Der TAROM-Mitarbeiter räusperte sich. »Und wo ist die kleine Miezekatze?«
    »Keine Mieze. Nur Klo.« Herr Tepes machte ein Gesicht, das keine weiteren Fragen zuließ.
    Ludovic Lobond musterte Herrn Tepes einen Moment. Er musterte das Katzenklo. Dann zuckte er kaum merklich die Schultern. Manche Leute verreisten mit ihrer heimlichen Liebe, manche mit ihrer eigenen Matratze und manche nahmen ein Katzenklo mit. So waren die Menschen: verschieden und alle verrückt.
    Dieser Herr Tepes hier schien allerdings besonders verrückt zu sein. Denn selbst wenn er kein verdeckter Ermittler war – ein gewöhnlicher Passagier war er auf keinen Fall.
    Ludovic Lobond riss sich aus seinen Gedanken und sagte: »Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Flug und bedanke mich, dass sie TAROM für Ihre Reise gewählt haben.«
    »Also ich habe TAROM nicht für meine Reise ...«, begann Herr Tepes, doch da schob ihn seine Frau bereits vom Schalter weg.
    Elvira, Silvania und Daka lächelten dem TAROM-Mitarbeiter zu. Helene winkte ihm zum Abschied.
    Ludovic Lobond sah den Passagieren nach. Am liebsten hätte er jetzt eine Pause eingelegt. Oder zumindest einen Schluck Buttermilch getrunken. Doch der nächste Passagier stand bereits vor dem Schalter. Er hielt sich eine Zeitung vors Gesicht und flüsterte: »Einmal nach Transsilvanien, bitte sehr.«
    Ludovic Lobond starrte auf die Zeitung. Es war die heutige Ausgabe des Bindburger Anzeigers. Durch das Titelfoto waren zwei Löcher gebohrt. Dahinter waren zwei Augen. Sie funkelten wie die einer Katze.
    Was war das nur für ein Tag?, dachte Ludovic Lobond. Mit einem leichten Seufzen nahm er das Ticket und den Reisepass des Passagiers entgegen. Er schlug den Pass auf, las den Namen und sagte: »Selbstverständlich, Herr van Kombast. Haben Sie einen besonderen Sitzplatzwunsch?«

Herbstferien
unter der Erde
    L udovic Lobond hatte vollkommen recht. Mihai Tepes war kein gewöhnlicher Passagier. Doch was Ludovic Lobond nicht wusste: Mihai Tepes war auch kein gewöhnlicher Mann. Mihai Tepes war gar kein Mann. Er war auch keine Frau. Mihai Sanguro Furio Tepes, geboren vor 2676 Jahren im tiefsten Transsilvanien, war ein Vampir.
    Elvira Tepes war eine Frau. Sie war keine gewöhnliche Frau, sonst hätte sich Mihai Tepes nicht in sie verliebt. Ihre nachtblauen Augen, ihre rotbraunen Löckchen und ihr buttercremetortensüßes Lächeln hatten den Vampir verwirrt, bezaubert und gezähmt. Und ihre Halskrause, die sie beim ersten Zusammentreffen vor sechzehn Jahren in den Wäldern Transsilvaniens getragen hatte.
    Silvania und Dakaria Tepes waren Zwillinge. Keine gewöhnlichen Zwillinge. Sie waren die Früchte der Liebe zwischen einem Vampir und einem Menschen. Und somit Halbvampire. Alles, was ein Vampir konnte, konnten sie auch. Halbwegs. Dafür waren sie nur halb so lichtempfindlich. Und halb so blutrünstig. Sie konnten auch ohne Frischblut überleben. Das war praktisch, wenn man in Deutschland unter lauter Menschen lebte. Das taten die Zwillinge seit ein paar Wochen. Nachdem Familie Tepes über zwölf Jahre in Bistrien, ihrer transsilvanischen Heimatstadt, gelebt hatte, war sie nach Bindburg gezogen. Bindburg war Elviras Geburtsstadt. Elvira Tepes hatte Sehnsucht nach ihrer deutschen Heimat. Mihai Tepes verstand das. Auch er liebte seine Heimat sehr. Aber noch mehr liebte er seine Frau. Und so kam es, dass Familie Tepes nach Bindburg zog.
    Das alles wusste Ludovic Lobond nicht. Er wusste auch nicht, dass im Katzenklo Heimaterde war. Ein Vampir musste sie immer in der Nähe haben. Und er wusste nicht, dass die Kopfnüsse, mit denen ihn Herr Tepes begrüßt hatte, ein freundlicher, traditioneller Gruß aus Bistrien waren. Vermutlich hatte er noch nie von Bistrien gehört.
    Bistrien war eine unterirdische Stadt. Die Bewohner der Stadt gingen dort einem ganz normalen Leben nach. Sie arbeiteten, kauften ein, stritten sich, versöhnten sich, sie machten Quatsch oder ernste Gesichter, sie aßen, sie schliefen und sie träumten. Manche bohrten heimlich in der Nase. In der Stadt gab es Lehrer, Fleischer, Musiker, S-Bahn-Fahrer, Journalisten, Verkäufer, Sportler, Heiratsschwindler und Politiker. Genau wie in vielen anderen Städten. Doch etwas war anders in Bistrien. In Bistrien lebte kein Mensch. Bistrien war voller
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