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Ferien mit Biss

Ferien mit Biss

Titel: Ferien mit Biss
Autoren: Franziska Gehm
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langen Arme, schob sie zum Plateaurand und sagte: »Boi-venti do Bistrien!« Er deutete mit dem spitzen Kinn auf die Stadt, die ein paar Meter unter ihnen in der Tiefe lag.
    »Herzlich willkommen in Bistrien«, übersetzte Elvira Tepes schnell im Flüsterton.
    »Das ist Bistrien?«, fragte Helene. Sie riss die Augen auf.
    Daka nickte und sagte leise: »Wunderschön, oder?«
    Helene sagte: »Äh.«
    »Warte, bis du die Stadt erst bei Nacht siehst, wenn alle wach sind!« Silvania wippte auf den Zehenspitzen. Mit ihren spitzen Schuhen war das gar nicht so einfach.
    »Hmhm«, machte Helene. Sie runzelte die Stirn.
    »Es ist einfach immer wieder ein überwältigender Anblick«, sagte Vlad Tepes. »Selbst, wenn man nur ein paar Stunden weg war.«
    Helene rollte die Lippen nach innen und presste sie aufeinander. Sie starrte angestrengt in die Tiefe.
    Herr Tepes hob die Hand. »Du musst nichts sagen. Die meisten Besucher sind genauso sprachlos wie du, wenn sie die Stadt zum ersten Mal sehen.«
    Helene beugte sich etwas weiter vor. »Aber ... aber ich sehe sie gar nicht. Wo sind denn die Häuser? Da unten sind nur lauter Stalagmiten und Stalaktiten.« Helene kannte solche Tropfsteine. Stalagmiten wuchsen aus dem Boden und Stalaktiten hingen von der Decke. Das hatte sie schon einmal in einer Höhle in der Nähe von Bindburg gesehen. Allerdings schimmerten die Tropfsteine hier wie Gold, hatten ulkige Formen und waren riesengroß.
    »Stala– was?« Daka sah Helene verständnislos an.
    »Gumox! Das sind doch keine Stalagmiten und Stalaktiten!« Mihai Tepes warf seine halblangen Haare mit einem Ruck nach hinten.
    Vlad Tepes machte: »Tze!«
    Tante Karpa stieß einen kleinen Rülpser aus.
    »Mach dir nichts draus«, sagte Elvira Tepes zu Helene. »Das habe ich auch das erste Mal gedacht, als ich nach Bistrien kam.«
    »Das«, begann Vlad Tepes und zeigte mit seinem langen, knöchrigen Finger auf die riesigen Gesteinsgebilde, die aus dem Boden und von der Decke wuchsen, »sind Budnyks. Die an die Decke anschließen, nennt man Budnyks kapoi. Und die mit dem Boden verankert sind, Budnyks gurond.«
    Helene kniff die Augen zusammen und nickte langsam. »Verstehe. Das sind eure Naturdenkmäler. So was wie der Uluru, dieser riesige Sandsteinberg in Australien. Na, da habt ihr echt eine erstklassige Touristenattraktion.«
    »Touristenattraktion?« Tante Karpa sah Helene mit großen violetten Augen an.
    »Naturdenkmäler?« Vlad Tepes fiel beinahe das Monokel vom rechten Auge.
    Elvira Tepes lächelte.
    Daka räusperte sich.
    Silvania sagte: »Die Budnyks sind keine Naturdenkmäler, sondern unsere Behausungen. Hier wohnen die Vampire.«
    »Und die Halbvampire«, fügte Daka hinzu.
    »Und manchmal auch Menschen«, sagte Elvira Tepes.
    »Wir haben in einem Budnyk kapoi gewohnt, bevor wir nach Deutschland umgezogen sind«, erklärte Silvania.
    »Also in denen an der Decke«, sagte Daka.
    »Siehst du die Löcher in den Budnyks?« Elvira Tepes zeigte auf die dunklen Punkte, die auf den tropf-steinförmigen Gebilden zu erkennen waren. »Das sind die Eingänge.«
    Helene starrte erst auf die Budnyks, dann auf die Tepes. »Ihr wohnt in Stala... Budnyks?«
    »Wir wohnen dort nicht nur, wie leben dort! Und zwar wie die Fledermaus im Insektenauflauf.« Vlad Tepes nickte energisch.
    Helene zog die Augenbrauen zusammen. Wie lebte eine Fledermaus im Insektenauflauf? Sie wusste es nicht. Wie ein Vampir im Budnyk lebte, würde sie bald herausfinden.
    »Siehst du das große, spitze Budnyk gurond direkt in der Mitte?«, fragte Daka und zeigte auf die Stadt. »Das ist das Rodnyk. So etwas wie das Rathaus von Bistrien.«
    Vlad Tepes streckte die Brust heraus. »Dort tagt der Stadtrat, in den ich als Kandidat des Blutigen Einheitsflügels zum fünften Mal gewählt wurde.«
    »Und siehst du das Budnyk kapoi rechts vom Rodnyk mit den vielen Löchern? Das ist die Schule«, sagte Silvania.
    Daka starrte auf die Schule. »Schlotz zoppo! Ich glaube, ich habe sogar Sehnsucht nach ihr.« Fassungslos schüttelte sie den Kopf.
    Helene streckte den Kopf nach vorne und beäugte die geheimnisvolle unterirdische Stadt genauer. Erst jetzt erkannte sie, dass die Tropfsteine beziehungsweise die Budnyks alle verschieden aussahen. Manche hatten ein riesengroßes Loch, andere viele kleine Löcher. Es gab krumme Budnyks, die wie Zähne eines Säbelzahntigers aussahen, kerzengerade, kleine und große, dicke und dünne, spitz zulaufende und runde. Um ein Budnyk schlängelte sich ein
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