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Fenster zum Zoo

Fenster zum Zoo

Titel: Fenster zum Zoo
Autoren: Carola Clasen
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wieder wegzulaufen, lasse ich Sie nach Hause bringen«, sagte er stockend.
    »Ich laufe nicht mehr weg«, sagte sie, »Sie sagen ja, ich hätte niemanden umgebracht.«
    »Morgen früh müssen Sie ins Präsidium kommen, um Ihre Aussage zu Protokoll zu geben.«
    Nelly presste die Lippen aufeinander.
    »Ich kann Sie abholen«, bot er an.
    »Nein. Ich komme.«
    Vor ihnen tauchten die fünf Polizeiwagen und der Mannschaftswagen, die er ohne Blaulicht und Sirene vor den Zoo bestellt hatte, plötzlich aus der Dunkelheit auf, und er gab flüsternd seine Anweisungen und die Fahndung nach Albert Schneider durch. Vier von ihnen verteilten sich im Viertel, machten sich mit Standlicht und heruntergedrehtem Motor auf den Weg, die Umgebung nach Auffälligkeiten abzusuchen. Die Mannschaft schlich in den Zoo. Der fünfte Polizeiwagen sollte Nelly nach Hause bringen.
    Er selbst wollte sich dem Zoo-Kommando anschließen und Professor Nogge warnen. Aber als er Nelly einsteigen sah, änderte er seine Meinung: Das Sirren war noch in der Luft, der Luftzug noch an seinem Ohr, das Geräusch des Einschlages näher und lauter als vorhin.
    Er stieg zu ihr. Sie saßen nebeneinander auf dem Rücksitz. Als der Polizeiwagen in der Barbarastrasse hielt, berührte sie für einen kurzen Moment seine Hand, aber sie zog sie sofort zurück, als er danach greifen wollte, und sie verfehlten sich.

21. Kapitel
    Am Samstagmorgen beorderte Muschalik in aller Frühe die Spurensicherung zur Bärenanlage.
    »Schon wieder?«, fragte einer der Kollegen genervt.
    Als er selbst im Zoo eintraf, waren sie schon fündig geworden. Sie hatten ein Einschussloch in der Bruchsteinmauer gefunden, einige Steine waren abgesplittert, eine Patrone lag wenige Meter entfernt in der Bärenanlage. Und wieder suchten sie offensichtlich vergeblich nach einer Patronenhülse.
    Kraft und Professor Nogge stießen zu ihnen. Einer von der Spurensicherung kam mit einem rotgepunkteten Kinderball in den Händen zu Muschalik.
    »Seltsam. Der Ball muss voller Honig gewesen. Er klebt entsetzlich. Was soll das denn bedeuten?«
    »Weiß ich nicht«, sagte Muschalik.
    »Sollen wir den auch untersuchen?«
    »Nein.«
    »Und wir haben wieder Kaliber 7,62«, fuhr er fort, »es gibt außerdem Anzeichen für eine abfallende Schusslinie, das heißt das Einschussloch verläuft von oben nach unten.«
    Muschalik nickte und sah sich um. Zwei Geparden lagen regungslos auf ihren Savannenhügeln, ihre Augen verfolgten jeden Schritt des Suchtrupps. Der Schuss konnte also nur von der gegenüberliegenden Seite und aus einer gewissen Höhe gekommen sein: aus den Bäumen vor dem Lemurenhaus, von seinen halbkugeligen Außenkäfigen oder vom Dach des Giraffenhauses aus, eventuell vom Dach des Restaurants. Während er der Spurensicherung den Auftrag gab, diese möglichen Orte zu untersuchen, blitzte etwas in seinen Augenwinkeln auf. Irritiert rieb er sich das Auge und sah hoch.
    Im obersten Stockwerk eines Hauses auf der Stammheimer Straße blitzte es wieder in der Sonne auf. Glas in der Sonne blendete ihn. Zwei Gläser. Ein Fernglas.
    »Olaf, wir werden beobachtet. Sieh dich unauffällig um.«
    »Meinst du die Geparden?«
    »Nein, von der Stammheimer Straße aus, sieh hoch.« Es war das einzige Haus, das einen freien Blick auf das Bärengehege hatte. Allen anderen Häusern versperrten hohe, alte Bäume mit ihren ausladenden Zweigen und einem üppigen Blätterwald die Sicht. Nur von diesem einen Haus konnte man durch eine Baulücke direkt in den Zoo sehen. Von allen Stockwerken. Es war das rote Haus.
    * * *
    Kurz nach sieben Uhr standen Muschalik und Kraft vor der Nummer 84 in der Stammheimer Straße. Als sie klingeln wollten, öffnete sich die Haustür und der Krankenpfleger Thomas Berger kam ihnen entgegen. Muschalik stellte ihm Kraft vor und fragte: »Sie hier, um diese Uhrzeit?«
    Berger zeigte auf eine Einkaufstasche und sagte: »Ich habe Frau Heimbach nur etwas Wäsche geholt. Sie ist immer noch im Krankenhaus.«
    »Haben Sie einen Moment Zeit für uns?«, fragte Kraft. Berger sah auf die Uhr. »Eigentlich nicht, ich habe einen dringenden Termin. Morgens ist es immer ziemlich eng.«
    »Den müssen Sie verlegen. Tut uns Leid, aber es geht nicht anders.« Kraft drängte Berger zurück in den Flur, folgte ihm ganz dicht die Treppe hinauf und winkte Muschalik, sich zu beeilen.
    In der Wohnung angekommen, machte Berger keine Anstalten, seinen Termin abzusagen. »Darf ich Ihnen einen Kaffee anbieten?« Er legte seinen
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