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Fenster zum Zoo

Fenster zum Zoo

Titel: Fenster zum Zoo
Autoren: Carola Clasen
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Boden, das Schloss schnappte auf, und er schob den Deckel langsam hoch.
    Es war ein Gewehr. Ein sauber zerlegtes G 3 mit Zielfernrohr, Schalldämpfer und Restlichtverstärker, in nato-oliv, gereinigt, poliert und frisch geölt.
    »Der Bengalgeier«, murmelte Muschalik betroffen.
    Die Bettcouch, der volle Kühlschrank, die Schuhe, das Gewehr, alles schien auf einmal zusammenzupassen. Es dauerte eine Minute, ehe er sich wieder fing und sagen konnte: »Sie wohnen also hier.«
    »Nein, nein. Nur vorübergehend«, gab Berger zögernd zu, »bis Frau Heimbach aus dem Krankenhaus zurückkehrt. Ich habe selbst nur ein möbliertes Zimmer, hier ist es etwas bequemer, und Frau Heimbach hat nichts dagegen.«
    »Sie wollen mir doch nicht erzählen, dass das Gewehr Frau Heimbach gehört?«
    Berger lächelte schief.
    »Waren Sie bei der Bundeswehr?«
    »Ja. Ich war Zeitsoldat, bevor ich Krankenpfleger wurde. Ich hatte mich für zwölf Jahre verpflichtet, habe im Sanitätsdienst gearbeitet.«
    »Und da war ein Gewehr zu viel? Haben Sie überhaupt einen Waffenschein?«, fragte Muschalik.
    »Nein. Ich habe nicht einmal Patronen. Das Gewehr ist ein Erinnerungsstück.«
    »Mit Schalldämpfer und Restlichtverstärker? Wollen Sie uns für dumm verkaufen?«
    »Ich habe ein bisschen herumgebastelt. Ich war gerne Soldat. Aber das ist lange her.«
    »Und warum steht es hier?«
    »Würden Sie ein Gewehr in einem möblierten Zimmer zurücklassen? Ich habe ganz vergessen, dass es dort steht, sonst hätte ich es besser versteckt. Jetzt werden Sie denken …«
    »… was für ein Zufall, dass die drei Patronen, die wir gefunden gaben, durchaus aus einem Gewehr wie diesem stammen können, nicht wahr?«
    »Ja, das wäre tatsächlich ein sonderbarer Zufall. Kommissar Zufall, wie man so schön sagt.«
    »Wie heißen Sie noch mal?«, fragte Muschalik.
    »Was soll diese Frage?«
    »Wie Sie heißen, will ich wissen?«
    »Thomas Berger. Was haben Sie nur?«
    »Na, dann zeigen Sie uns mal Ihre Papiere«, sagte Kraft und streckte die Hand aus.
    »Die hab ich nicht bei mir. Sie sind in meinem Zimmer.«
    »Sie heißen nicht zufällig Albert Schneider?«
    Berger lachte und warf den Kopf zurück. »Wer soll das denn sein?«
    »Jetzt reicht es mir.« Muschalik wurde wütend, ließ den Kofferdeckel herunterfallen. »Wir nehmen Sie mit ins Präsidium und klären da alles ab.«
    »Wieso?« Berger schien nicht zu verstehen.
    »Waffendiebstahl oder Schwarzhandel, illegaler Waffenbesitz, und für unseren Ballistiker ist es ein Kinderspiel, festzustellen, ob alle drei Patronen aus diesem Gewehr stammen. Sie sind auf jeden Fall jetzt erst einmal weg vom Fenster!«
    Die Papiere, die Muschalik und Kraft aus Bergers möbliertem Zimmer holten, wiesen ihn eindeutig als Thomas Berger aus. Aber Ausweise können gefälscht sein, dachte Muschalik. Seine Examenspapiere und seine Legitimation zum Krankenpfleger konnte Berger nicht finden.
    Als sie im Präsidium den langen, schwach beleuchteten Flur zu ihrem Büro entlanggingen, bog am anderen Ende in gut fünfzig Meter Entfernung ein Schatten um die Ecke, ein großer Schatten, zwischen zwei anderen Personen. Die Gesichter lagen im Halbdunkel und waren nicht zu erkennen. Aber Muschalik erkannte Nelly, der Gang des Sohlengängers verriet sie. Die drei Schatten kamen näher, Kraft ging weiter voraus und hatte Berger im Schlepptau. Muschalik blieb hinter den beiden zurück. Er spürte, wie seine Anspannung zunahm. Jetzt, jetzt musste es passieren.
    Aber als Nelly Luxem und Thomas Berger auf gleicher Höhe waren passierte nichts. Nelly ging ohne Thomas Berger anzusehen weiter. Und Thomas Berger würdigte Nelly keines Blickes. Sie trug ihr rotes Halstuch wieder und schien noch größer und kräftiger zu sein als sonst.
    Muschalik geriet in Panik.
    Ein Polizist verließ sein Büro und für keinen kurzen Augenblick fiel Tageslicht in einem hellen Rechteck auf den Fußboden.
    Thomas Berger legte im Sekretariat der Mordkommission seinen Personalausweis auf Lise Beckers Schreibtisch.
    »Lass ihn bitte überprüfen«, sagte Muschalik, und Lise Becker verließ den Raum.
    Kraft und Muschalik setzten sich und ließen Thomas Berger stehen. Nellys Protokoll lag neben Lise Beckers Computer. Muschalik warf einen kurzen Blick darauf und blieb an der Unterschrift hängen. Ihre Schrift war wellenförmig, Vor- und Zuname waren zusammengeschrieben, und es gab keinen großen Anfangsbuchstaben. Muschalik nickte Kraft zu und brachte dann den Gewehrkoffer zu
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