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Fenster zum Zoo

Fenster zum Zoo

Titel: Fenster zum Zoo
Autoren: Carola Clasen
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schon tot.«
    Nelly sah ihn zweifelnd an.
    »Wir haben eine Patrone gefunden. Wir können zwar nicht beweisen, dass sie ihn getötet hat, aber wir gehen davon aus. Und Jartmann?«
    »Als ich nach der Schiffstour um Mitternacht in den Zoo kam, sah ich ihn. Er hatte wohl auf mich gewartet. Er fing eine Diskussion an, einen Streit wegen Ben Krämer. Er sagte, ich hätte ihn ins Bärengehege geworfen. Er sagte es immer wieder, und er hörte nicht auf.«
    »Wie kam er darauf?«
    »Er sagte, wer einmal einen Mord begeht, der tut es wieder.«
    »Was meinte er damit?«
    Sie presste die Lippen aufeinander. Muschalik wartete und fragte schließlich:
    »Albert?«
    Sie nickte.
    »Albert und wie weiter?«
    »Schneider.«
    »Wo wohnt er?«
    »Ich weiß es nicht. Aber ich habe ihn nicht umgebracht.«
    »Ihre ehemaligen Nachbarn in Duisburg sind aber der Meinung.«
    »Ich weiß. Aber ich habe es nicht getan. Es ist so leicht jemandem etwas anzuhängen.«
    »Das ist wahr. Hätten Sie denn einen Grund gehabt?«
    »Vielleicht.«
    »Was hat er Ihnen angetan?«
    »Es ist so schwer zu beschreiben. Er hat mich nicht geschlagen, wenn Sie das meinen. Nein, das hat er nicht. Er hat mich …«
    »Ich werde ihn finden«, versprach Muschalik.
    Nach einer Weile kam sie auf Jartmann zurück: »Ich wurde wahnsinnig vor Angst, ich konnte das Gegenteil nicht beweisen. Da packte ich ihn, habe ihn geschüttelt, damit er endlich den Mund hält. Aber er hat immer weiter geredet, er hat nicht aufgehört. Ich legte meine Hände um seinen Hals. Ich wollte ihn nicht töten, das müssen Sie mir glauben. Ich wollte nur, dass er endlich still ist.
    Plötzlich sackte er zusammen und rührte sich nicht mehr. Er war tot. Ich habe ihn getötet. In meiner Angst warf ich ihn ins Bärengehege. Ich habe gehofft, Kaspar würde ihn zerfetzen, so wie er es mit Ben Krämer getan hatte, und niemand würde sehen, dass ich ihn erwürgt hatte. Aber Kaspar war nicht sonderlich an ihm interessiert. Er hat nur ein paar Mal mit den Tatzen nach ihm geschlagen und ihn dann liegen gelassen.«
    »Auch Jartmann ist erschossen worden«, sagte Muschalik, »Sie haben ihn nicht getötet.«
    »Wie kommen Sie darauf? Erwürgt wurde er. Von mir.«
    »Er hatte zwar Würgemale, der Gerichtsmediziner hat sie gefunden, aber er ist nicht daran gestorben. Er wurde erschossen, so wie wahrscheinlich auch Ben Krämer.«
    »Erschossen? Beide? Wer sollte das getan haben?«
    »Das frage ich Sie. Sie waren dabei.«
    Plötzlich war ein Sirren in der Luft, ein Luftzug ganz nah an seinem rechten Ohr, von der Bruchsteinmauer her hörte er ein Splittern, einen heulenden Ton wie von einem Querschläger, alles gleichzeitig.
    Muschalik hielt sein Ohr, heiß wurde es in seinem Bauch, kein Blut im Kopf, nur Hitze und Schwindel, alle Sinne betäubt. Er sah nichts mehr, taumelte, verlor das Gleichgewicht, stolperte. Sie fing ihn auf, hielt ihn fest, er drückte sich an sie. In der nächsten Minute ließ sie ihn entsetzt los, stieß ihn von sich und trat einen Schritt zurück. Muschalik griff wieder nach ihr, riss sie zu Boden. Sie rollten die drei Stufen zur Bärenanlage herunter und lagen schließlich an die Mauer gepresst eng aneinander im Staub. Er holte seine Waffe aus der Innentasche seines Blousons und bereitete sich vor. Sein Herz raste, schlug rückwärts, setzte aus. Ich bin zu alt für so was, dachte er keuchend, ich halte das nicht durch.
    Es vergingen Minuten, in denen sie nicht sprachen. Sie bewegten sich nicht, wagten kaum zu atmen. Muschalik versuchte die Gedanken, die in seinem Kopf hin und her flogen, festzuhalten. Er brauchte einen Polizeiwagen, um Nelly sicher nach Hause zu bringen, ein Einsatzkommando, um den Zoo zu durchkämmen, und zwei bis drei Streifenwagen sollten die nähere Umgebung abfahren.
    Er tastete nach seinem Handy in der Hosentasche.
    Er hoffte inständig, dass der Schlaf Professor Nogge übermannt und er den Schuss überhört habe und jetzt nicht mit schlafwandlerischer Sicherheit in die Schusslinie gelaufen käme. In der gelben Villa blieb es ruhig.
    In Deckung schlichen sie zum Ausgang. Erst vor dem Tor holte er tief Luft. So nah am Tod war er nicht oft gewesen, vielleicht drei- oder viermal in seiner Laufbahn. Seine Hände zitterten, als er den Notruf in sein Handy eintippte. Sein Herz wollte sich nicht beruhigen. Seine Lippen waren trocken, und seine Stimme klang fremd und weit entfernt. Das Hemd klebte an seinem Rücken, sein Nacken brannte.
    »Wenn Sie mir versprechen, nicht
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