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Felidae 06 - Schandtat-neu-ok-22.02.12

Felidae 06 - Schandtat-neu-ok-22.02.12

Titel: Felidae 06 - Schandtat-neu-ok-22.02.12
Autoren: Akif Pirinçci
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hochgerissen, hechtete ich
mit der ganzen Kraft, die in meinen Hinterpfoten steckte, in die Höhe. Oben sah
ich zu meiner Freude gerade noch, daß das kreisrunde Maul des Brunnens von
nichts anderem als von einer kunstvollen Spinnwebearbeit bedeckt war.
Allerdings wurde meine Freude getrübt, denn aus dem Innern des Mauls gähnte mir
nur unergründliche Schwärze entgegen. Noch im Fallen begriffen, spürte ich
einen Schmerz am Schädel genau zwischen meinen Lauschern. So durchdringend war
der Schmerz, als habe mich ein besonders widerwärtiger Brummer gebissen. Eine
der umherschwirrenden Kugeln hatte mich auf dem Gipfel meines Sprungs
gestreift. Das Problem war jedoch vernachlässigbar, würde ich doch gleich
ohnehin die interessante Erfahrung eines Nichtschwimmers mit dem feuchten
Element machen. Also verabschiedete ich mich von meinem jungen Leben, das für
mich sowieso nichts weiter als Entbehrungen und Grausamkeiten bereitgehalten
hatte, und begab mich leichten Herzens in die Unterwelt.
    Ich durchbrach das prächtige Spinnennetz und hieß die
vollendete Schwärze unter meinen Pfoten willkommen. Denn der Tod, mein lieber
Sohn, besitzt zwei Gesichter.
    Das eine ist das der Illusion einer Dunkelkammer, in der
man als Gefangener irgendwie ewig weiterlebt. Das andere aber ist das Gesicht
der Erlösung, das ewige Licht hinter der Schwärze. Offen gesagt war es mir nach
der Auslöschung von allem, was mir lieb und teuer gewesen war, gleichgültig,
welche der Alternativen nun folgen würde.

3
     
    »Wirklich sehr berührend, Paps«, sagte Junior und trat von
einer Vorderpfote auf die andere. Es war ihm anzusehen, daß ihn die Story in
ihren Sog gezogen hatte. Der rote Glutschein aus dem Kamin hatte aus ihm
inzwischen einen leuchtenden Feuerball gemacht. Sein schwarzweißes Fell hatte
sich aufgeplustert, als sei es statisch aufgeladen. »Aber auch ein typischer
Cliffhanger. Denn wenn mich kein Geist gezeugt hat, bist du nach dem Sprung in
den Brunnen nicht gestorben.«
    »Genial kombiniert«, erwiderte ich. Die schlummernde
Sancta an meiner Seite stieß den süßesten Seufzer an diesem Abend hervor.
Dämmerige Lichtwellen wanderten über die dunklen Wände des Zimmers. Mit einem
Seitenblick durch die Fenster sah ich, daß es draußen nun richtig zu schneien
angefangen hatte. Flocken von der Größe von Ein-Euro-Münzen huschten an den
Scheiben vorüber.
    »Laß mich raten: Als du in das Brunnenwasser geplumpst
bist, hat die Todesangst dich plötzlich doch in einen Meisterschwimmer
verwandelt.«
    »Falsch!«
    »Du konntest dich im letzten Moment an einem Ast oder
Gestrüpp oder sonst etwas festkrallen, das aus der Seitenwand der Röhre herausgewachsen
war.«
    »Wieder falsch!«
    Die schrägen grünen Diamantenaugen weiteten sich. Er legte
sich flach, nahm die Sphinx-Pose ein und fixierte mich mit forderndem Blick.
    »Okay«, sagte er, und sein junges Gesicht hatte mit einem Mal
etwas von dem eines Hypnotiseurs, der einem mit der Taschenuhr vor der Nase
herumwedelte. »Du fielst und fielst also den Brunnenschacht herunter ...«
     
    ... ich fiel und fiel den Brunnenschacht hinunter, und
lebensmüde oder auch todesmutig wie ich war, riskierte ich dabei einen Blick
abwärts, um meinem Exitus ins Angesicht zu schauen. Doch weder plätscherndes
Naß noch ein finsterer Orkus kam mir in rasender Geschwindigkeit entgegen,
sondern seltsamerweise so etwas wie fahles Feuer. In dem immer größer werdenden,
runden Ausschnitt unter meinen Pfoten sah ich einen schwankenden orangefarbenen
Schein. Er flackerte über einem Gebilde, das dem Gipfel eines Berges im
Kleinformat ähnelte. Ich hatte damals keine Ahnung von Hölle, Fegefeuer oder
ähnlichen unirdischen Foltern, doch spürte ich, daß das Ziel der Reise etwas
Grausames außerhalb meines Erfahrungsbereiches für mich bereithielt. Zudem
vernahm ich allmählich einen im unheimlichen, aber auch launigen Ton
vorgetragenen Singsang, der sich wie ein aus vielen Kehlen entsteigender Chor
anhörte. Mein Ende schien unabwendbar.
    Doch weder zerschellte ich irgendwo noch landete ich im
Höllenfeuer. Im Gegenteil, wider Erwarten landete ich sehr bequem, und es flog
mir so allerhand über den Kopf. Vertrocknete Pflanzenblätter, die über Jahre
hinweg kon tinuierlich in das längst ausgetrocknete Brunnenbecken
hereingeflogen waren, hatten sich an dessen Grund zu einem Haufen aufgetürmt.
Unzählige weiße Kerzen brannten um den Haufen, weshalb er von oben so rötlich
warm beschienen gewirkt
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