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Felidae 05 - Salve Roma-neu-ok-21.02.12

Felidae 05 - Salve Roma-neu-ok-21.02.12

Titel: Felidae 05 - Salve Roma-neu-ok-21.02.12
Autoren: Akif Pirinçci
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Gustav? Nun, das ist der hundertdreißig
Kilo schwere, fast kahle, mit dem Aussehen eines zur Sprengung freigegebenen
Industriesilos geschlagene achtundfünfzigjährige »Dosenöffner«, der, was wohl,
mir die Futterdosen zu öffnen pflegt. Er besitzt alles, was ein erfolgreicher
Mann in seinem Alter nicht besitzt: einen zerschlissenen Frottee-Morgenmantel
aus der Gert-Müller-Ära, in dem er morgens mit seinem mörderischen
Rotwein-Kater und bleichem Stoppelbart-Gesicht etwa so aussieht wie ein
monatelang gefolterter Kriegsgefangener, der endgültig zur Hinrichtung geführt
wird.
    Verantwortungsvoll wie er ist, hat er stets ein
Präservativ im Portemonnaie, das nach fünfzehnjähriger Unberührtheit so fest
mit dem Innenleder verwachsen ist, daß es wie eine kunstvolle Prägung wirkt.
Des weiteren hat er ein unfehlbares Gespür für Verdienstmöglichkeiten unterschiedlichster
Art, welche wirklich alles ermöglichen, nur keinen Verdienst. Habe ich schon
den Job als »Tortenvisage« im hiesigen Vergnügungspark erwähnt, wobei
hyperaktive Kinder ihm für drei Euro Torten in die Visage schleudern durften?
Oder das Vertreiben von Schweizer Kuckucksuhren aus Sri Lanka übers Internet?
    Und warum das ganze Elend? Weil der gute Mann ein
Forscher ohne Anerkennung ist, ein verkanntes Genie, das zur Vermarktung seines
Wissens etwa so viel Talent besitzt wie ein Stimmbandamputierter zum
Arienschmettern. Gustav, ein weltweit geachteter Archäologe, vermochte mit
seinen detaillierten Kenntnissen über das ägyptische Götterwesen und über das
Römische Reich nie eine dauerhafte Anstellung in einem Institut zu ergattern.
Hier und da mal ein kurzes Intermezzo als Sachbuchautor, das war’s dann aber
auch schon mit dem seriösen Broterwerb gewesen. Der Rest bestand aus einer
tragikomischen Abfolge von Bemühungen, unser beider Mägen zu füllen, wobei, das
muß ich zu unserer Schande gestehen, bisweilen auch das Kreieren von skurrilen
Diäten für Frauenmagazine dazugehörte. Vielleicht ist Ihnen die sogenannte
Luft-Diät noch ein Begriff: Man schnappt vor jeder Essenszeit zehnmal nach Luft
und bildet sich hinterher ein, man sei satt. Für einen Kerl, der den Appetit
und die Gestalt eines Blauwals besitzt und einen Totalzusammenbruch erleidet,
wenn nicht in jeder seiner Mahlzeiten mindestens dreitausend Kalorien stecken,
wahrlich der Gipfel der Selbstverleugnung. Ein Wunder, daß er sich diese
hübsche, wenn auch stark heruntergekommene Altbauwohnung leisten konnte.
    Bin ich undankbar? Klingt das nach den
Betrachtungen eines Luxusgeschöpfs, das die Hand, die ihn füttert, auch noch
verhöhnt? Wenn dieser Eindruck entstanden sein sollte, so trifft er nur zum
Teil zu. Gewiß, einen Allround-Versager wie Gustav zu verspotten, bedarf es
keiner Kunst. Man möge sich nur jene slapstickhafte Aktion vergegenwärtigen, in
der sich eine an das Michelin-Männchen gemahnende Gestalt in die Badewanne
zwängt, mit ihren mehreren Kubikmetern fast das ganze Wasser verdrängt, so daß
das ganze Bad schnell dem Showdown aus dem Buch Noah ähnelt. Am Ende bleibt er
auch noch in dem verdammten Trog stecken und kann erst nach stundenwährenden
Hilferufen von den Nachbarn herausgehievt werden. Oder man möge an jenen
erbarmungswürdigen Selbstmordversuch denken, der ausgerechnet am Galgenstrick
scheitert – aber anders als gedacht: Berufliche Perspektivlosigkeit gepaart mit
chronischer Geldnot treiben unseren Helden zu dieser gottlosen Tat, und da er
um sein ehrfurchtgebietendes Gewicht weiß, ersteht er mit seinen letzten Kröten
im Baumarkt ein Qualitätsseil, an dem problemlos ganze Tanklaster baumeln
können. Zu Hause (und unter den entsetzten Blicken seines Haustiers) knüpft er
am Lampenhaken der Wohnzimmerdecke einen soliden Strick, steigt auf einen
Stuhl, brabbelt konfuse Abschiedsworte, steckt seinen Kopf in die Schlinge – da
klingelt es an der Tür. Überraschung, Überraschung, der Gerichtsvollzieher ist
da! Dieser, ganz emotionsloser Beamter, inspiziert die gesamte Wohnung nach
pfändbaren Kostbarkeiten, wird jedoch an keiner Stelle fündig. Bis er
schließlich auf das funkelnagelneue Seil aufmerksam wird und das gute Stück
gleich mitnimmt.
    Tja, auch Suizid ist heutzutage eine Frage des
Geldes.
    Mögen jedoch seine Taten noch so lächerlich
klingen, an Gustav selbst ist nichts Lächerliches. Er war es, der mir von
Kindesbeinen an ein fürstliches Obdach gewährte, wobei ich freilich vermittels
Hungerstreik bei minderwertiger
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