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Felicity Gallant und Das Auge des Sturms (German Edition)

Felicity Gallant und Das Auge des Sturms (German Edition)

Titel: Felicity Gallant und Das Auge des Sturms (German Edition)
Autoren: Melanie Welsh
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überhaupt irgendeinen Ausdruck haben konnte, aber es wirkte ganz unverkennbar höhnisch.
    »Das trifft sich gut«, schnarrte die Herrin und warf einen Blick auf das kleine Bündel in Mirandas Armen. »So lässt sich jetzt alles Wichtige auf einmal erledigen: Ich kann Rafes Racheplan durchkreuzen und mich gleichzeitig wieder verjüngen.«
    Felicity erstarrte. Die Haare an ihren Armen stellten sich auf. Was hatte dieses Scheusal vor? Das Baby fuchtelte mit einem Ärmchen und nieste.
    »Das ist die dritte Tochter deiner Mutter«, fuhr die Herrin fort. »Na, Felicity, kleiner Bücherwurm, erinnert dich das an irgendetwas?«
    Felicity starrte sie schockiert an. Und ob sie sich erinnerte, sie konnte sogar die Textstelle auswendig hersagen. »… aber dieses Mal erzählte sie eine schrecklich grausame Geschichte … Sie sprach von Menschenopfern …«, zitierte sie.
    Als sie zum Ende kam, stimmte die Herrin mit ein: »… damit sie selbst länger lebte. Und von da an war die Geburt einer dritten Tochter etwas Schlimmes.«
    »Du willst ihr Blut trinken, damit du wieder jung wirst«, sagte Felicity entsetzt.
    Die Herrin legte selbstgefällig den Kopf etwas schief. Sie genoss ihren Triumph. »Armer Rafe« – sie seufzte kokett –, »er ist so klug, aber ich fürchte sehr, dass seine Geschichte nicht so ausgehen wird, wie er sich das gedacht hat.«
    Felicity wurde schwindlig, doch trotz aller Angst sagte ihr etwas, dass sie versuchen musste, ihre Feindin am Reden zu halten. »Woher hast du gewusst, dass das Kind ein Mädchen ist?«, fragte sie. »Ein Junge hätte dir doch nichts genutzt.«
    Die Herrin starrte sie hochmütig an. »Was glaubst du? Der Wind hat es mir zugetragen.«
    Felicity ging ein Licht auf. »Jetzt verstehe ich«, sagte sie. »Du hast mich bis jetzt am Leben gelassen, weil meine Schwester sonst nicht die dritte Tochter wäre.«
    Die Augen der Herrin funkelten böse. »O ja, ich hätte dich längst umgebracht. Du bist mir so auf die Nerven gegangen mit deinen Büchern und deiner ganzen widerspenstigen Art. Aber das Warten hat sich gelohnt. Jetzt kann ich mich verjüngen, und anschließend töte ich dich, damit Rafes Geschichte nicht wahr wird.«
    »Und Sie glauben im Ernst, dass wir alle seelenruhig zuschauen, ohne was dagegen zu unternehmen?«, fragte Henry aufgebracht.
    Die Herrin lachte. Sie streckte die Hand in Richtung der Kabinentür und winkte mit einem dürren Knochenfinger. Die Tür wurde aufgestoßen und Felicitys Vater trat heraus. Felicity hatte ihn immer als den Inbegriff gelassener Korrektheit erlebt und nun stand er mit blutunterlaufenen Augen und strubbeligen Haaren vor ihr. Er wackelte und ruckelte mit dem Kopf und gab keinerlei Anzeichen von sich, dass er irgendeinen der Anwesenden erkannte.
    Mit einer Hand schleifte er einen großen Sack hinter sich her. Als er ihn aufband, schnappte Felicity nach Luft vor Entsetzen: Poppy kam zum Vorschein; sie war gefesselt und geknebelt. Sie hatte Schrammen und blaue Flecke und zitterte vor Angst. Felicity drehte es das Herz um bei ihrem Anblick.
    »Was sind Sie für ein Scheusal!«, schrie Henry zornig.
    Felicity drehte sich nach der erbarmungslosen Alten um. »Wie konntest du Poppy so etwas antun?«, rief sie. »Und was hast du mit meinem Vater gemacht?«
    »Mit Wind kann man einen Menschen so quälen, dass es ihn in den Wahnsinn treibt«, sagte die Herrin hochmütig.
    Felicity fiel ein, was Martha gesagt hatte. Es stimmte also. »So konnte er dir nicht in die Quere kommen.«
    »O ja, ich habe eine spezielle Mischung aus Wüsten- und Nordpolbrisen verwendet.« Die Herrin kicherte glucksend. Offensichtlich war sie stolz auf ihre Folterkünste.
    »Egal, jetzt ist Schluss damit.« Felicity wusste genau, was zu tun war. Sie kramte in ihrer Tasche nach der Holzkugel und öffnete sie. Ihr Vater blickte auf, er wirkte verwirrt. Felicity rannte zu ihm hin und drückte ihm das Auge des Sturms in die Hand, und da war es plötzlich, als würde ein Schleier vor ihm weggezogen: Zum ersten Mal seit Monaten war sein Blick klar und scharf. Schockiert sah Tom Gallant seine Tochter an, dann die anderen.
    »Das wirst du ihm nie wieder antun«, sagte Felicity. Tränen liefen ihr übers Gesicht.
    Die Herrin blieb ganz gelassen. »Du kannst es dir aussuchen: Die Kugel kann ihn beschützen oder dich, aber nicht euch beide gleichzeitig.«
    Felicity wischte sich eine Träne ab. »Tu, was du nicht lassen kannst«, sagte sie trotzig. Sie hatte noch nicht ausgeredet, da
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