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Feind

Feind

Titel: Feind
Autoren: Robert Corvus
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den toten Ghoulen
zurückgelassen.
    »Warte!«
    »Du hast auch nicht auf mich gewartet, als du Lióla auf dem Altar
deines Wahns geopfert hast!«
    Das durfte nicht geschehen! Nicht jetzt, so kurz vor dem Ziel! Wenn
sie die Paladine zurückholte, würden sie ihn aufhalten … ihm den Folianten
abnehmen … ihn zu einem Niemand machen, der in einem Kerker verrottete! Er
hatte keine Zeit, mit ihr zu streiten. Er musste weg. Schnell. Durfte nichts
mehr riskieren.
    Er nahm Pallions Schwert.
    »Quinda!«
    Etwas von der Kraft seines neuen Lebens musste in seinem Ruf gelegen
haben. Sie hielt tatsächlich inne und wandte sich um.
    Niemand würde ihm nehmen, was er so mühsam errungen hatte! Niemand!
Quinda hatte ihn nie verstanden, würde es auch nie, würde ihn immer klein
halten, in der Mittelmäßigkeit. Weil sie selbst mittelmäßig war. Kein Streben
nach Höherem in sich fühlte.
    Sie war alles, was er an seinem bisherigen Leben verachtete.
    Mit ungeahnter Wucht rammte er das Schwert durch ihren Bauch.
    Sie war sofort tot. Wie eine kraftlose Puppe sackte sie zusammen.
Ihr Gewicht entriss ihm den Schwertgriff.
    »Mama!«, schrie Ajina und eilte zu ihr.
    Ein ungleicher Schrei antwortete dem des Kindes. Es war ein
gequältes Heulen, wie kein Mensch es ausstoßen konnte. Ein Laut, der die
Knochen zum Vibrieren brachte. Ajina blieb stehen, als hätte jemand ihr Gewand
gepackt.
    Aus dem Durchgang, in dem erst Baron Gadior und dann seine Verfolger
verschwunden waren, schimmerte ein blaues Leuchten. Ein kalter Windhauch wehte
in Modranels Gesicht. Offensichtlich hatte sich der Osadro nicht allein auf
seine Ghoule verlassen.
    Modranel sah auf die Leiche seiner Frau, die im Kerzenschein lag,
als hätte jemand den Leuchter herangebracht, um mit anklagender Helligkeit die
Blutlache zu zeigen, die sich um den seltsam verdrehten Leib ausbreitete. Ajina
ging langsam darauf zu. Ihre Füße staken in Stiefeln, die vor ein paar Jahren noch
ihre Schwester getragen hatte. Sie setzte sie so vorsichtig, als bewege sie
sich über brüchiges Eis.
    Modranel hielt den Atem an, als Ajina das Händchen in das Blut
drückte. Sie stand auf und streckte ihm die roten Finger entgegen. »Es ist ganz
warm.«
    Er sah sie an. Sie hatte seine Augen, aber ihre Locken fielen so,
wie er es bei Quinda geliebt hatte. Auch die Lippen glichen denen, die er so
gern geküsst hatte.
    Mühsam sog er die Luft ein, als müsse er den Brustkorb gegen einen
Felsen bewegen, der darauf lastete. Musste er denn wirklich alles aufgeben?
Alles zurücklassen? Gab es denn nichts von Wert in seinem alten Leben?
    Erst als er zwinkerte, bemerkte er die eigenen Tränen. »Diesen Preis
habe ich nicht ausgehandelt«, flüsterte er. Quinda lag so schrecklich starr.
Das Schwert in ihrem Bauch war monströs.
    War Modranel das auch? Ein Monstrum? Wie Quinda es gesagt hatte?
    Er hatte ihr doch nicht schaden wollen! Sie hatte ihm keine Wahl
gelassen! Sie war es doch gewesen, die damit gedroht hatte, alles zu zerstören,
wofür er lebte! Sie hätte ihn den Mondschwertern ausgeliefert. Er hatte nur
sein Leben gerettet. Sein neues Leben. Dass sie dabei zu Schaden gekommen war,
war ein Unfall gewesen. Ja, so war es. Ein Unfall! Er hatte es nicht geplant.
Nicht gewollt!
    Er nahm Ajina auf den Arm, bevor die sich ausdehnende Blutlache ihre
Füße erreichte. Modranel ächzte unter dem Gewicht, das er nun zusätzlich zu dem
Folianten tragen musste.
    Ein verzweifelter Schrei drang über das Heulen. Krachen und
Splittern lag in der Luft. Das Leuchten war heller geworden.
    »Wir müssen weg!«
    »Wohin?« Ajina drückte ihm die Hand an die Wange. Ihm war bewusst,
dass das Blut einen Abdruck hinterließ, den er niemals gänzlich würde abwaschen
können.
    »Weg. Weit, weit weg.«

ERWÄHLTER
    I m Raum nebenan schrie Meister
Treaton nach seinen alten Kampfgefährten. Helion hätte es auch gehört, wenn die
Tür geschlossen gewesen wäre. Dieser Kampf vor fünfzehn Jahren war der Dämon,
der vom Herzen seines Herrn Besitz ergriffen hatte. »Judrion!«, rief er immer wieder.
»Zurück, Judrion! Es ist Endorns Geist!«
    Helion nahm den Kessel vom Feuer und hängte ihn an das Gestell
daneben. Er tauchte einen Löffel hinein, pustete einige Male darüber und
schlürfte die Suppe. Gut. Das Schaffleisch würde für Kraft sorgen, das Hirsekraut
die Lebensgeister anstacheln. Es war nur für eine geübte Zunge
herauszuschmecken. Zu viel davon hätte die Geronsbeeren neutralisiert, die den
Schmerz dämpfen
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