Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Feind

Feind

Titel: Feind
Autoren: Robert Corvus
Vom Netzwerk:
nicht so schwierig. Man konnte
ausnutzen, dass sich die Komponenten gegenseitig stützten, und musste darauf
achten, sich so zu bewegen, dass sich die mangelnde Gelenkigkeit nicht zu stark
auswirkte. Wenn man aber überraschend fiel, wie es ihm schon oft in
Übungsgefechten passiert war, raubte einem der harte Aufprall den Atem.
    »Judrion kommt wieder hoch, aber da hat Endorn schon ganz in unsere
Welt gefunden. Es ist ein schauderhafter Anblick, wie die Beine seiner
Geistergestalt durch den festen Stein des Bodens tauchen, als er zwischen uns
und den Meister schwebt, der ihn beschworen hat und dessen Sklave er ist. Man
kann die Qual auf dem Gesicht sehen, wie bei den Verfluchten des Seelennebels,
aber für Endorn gibt es keinen Weg zurück. Sein Wille liegt in Ketten.«
    Helion bedauerte ihn nicht. Wer sich der schwarzen Kunst verschrieb,
hatte sein Schicksal gewählt.
    »Endorn muss seinem dunklen Herrn dienen. Die Kälte ist seine Waffe.
Ich will Judrion zurückhalten, aber er stürmt vor. Sein blutrotes Schwert
schlägt durch den Körper des Geistes wie durch Luft. Ich vermag nicht zu sagen,
ob das Geheul einem Schmerz entstammt, der aus diesem Hieb geboren ist, oder
der fortdauernden Klage über die Verdammnis. Es klingt wie das Weinen der
Frauen, wenn die Gefallenen heimgebracht werden. Endorn breitet die Arme aus,
dann greift er zu. Vor den heiligen Zeichen auf Schild und Panzer prallt er
zurück.
    Judrion wird kühn und führt von Neuem einen Hieb.
    Da trifft ihn der eisige Hauch direkt aus Endorns Schlund. Was er
ihm antut, kann ich nur erraten, ist er doch ganz in seiner Rüstung verborgen.
Er erschlafft nicht, er dringt auch nicht weiter vor. Er erstarrt.
    Für einen Moment sind wir alle ratlos, gelähmt.
    Dann kippt Judrion zur Seite. Unbewegt, als sei er eine Statue.
    Ich hätte wissen müssen, dass Kal sich nicht zurückhält. Wenn ein
Knappe seinem Schwertvater für zwei Jahre gedient hat, dann fühlt er jeden
Schmerz, der diesem zugefügt wird, als würde er ihm selbst angetan. Kals
Kampfschrei ist beinahe so fürchterlich wie das Geistergeheul, das noch immer anhält.
    Er hat keine Vollrüstung, die ihn vor dem Eishauch geschützt hätte.
Als der weiße Atem von ihm weicht, ist er wie von einem Puder überzogen. Starr
wie aus Sandstein geschlagen. Er zerbricht einfach, als er auf den Boden
prallt. Seine Arme, seine Beine, der Hals.«
    »Wenigstens hatte er keine Schmerzen«, flüsterte Helion. Er wischte
den kalten Schweiß von der Stirn seines Meisters. Treaton hatte überlebt, aber
er hatte sich niemals verziehen. Jeder Tag war eine Anklage gewesen. Wenigstens
schlief er jetzt.
    Helion wusste auch so, wie die Begebenheit geendet hatte. Treaton
hatte die beiden überlebenden Knappen gesammelt und sich ein Stück
zurückgezogen, um Kriegsrat zu halten. Aber bevor ihnen ein kluger Gedanke für
das weitere Vorgehen gekommen war, hatte sich der Riss in der Wirklichkeit
wieder geschlossen. Endorn hatte dem Osadro die Zeit verschafft, die dieser
gebraucht hatte, um mit dem Kind zu entkommen. Der Geist war in die Qualen des
Nebellands zurückgekehrt, das blaue Leuchten erloschen, auch die magischen
Glyphen hatten sich wieder zu Boden gelegt, sich nicht länger bewegt, waren zu
gewöhnlicher Kreide auf dem Marmor geworden, die inzwischen sicher längst
verwischt war.
    Helion sah aus dem Fenster. Obwohl er gestern noch die Sense
geschwungen hatte, blühten heute schon wieder einige Blumen auf der Wiese vor
dem Fechtplatz. Auf diesem natürlichen, beinahe ebenen Steinsockel hatte er
gelernt, das Schwert zu halten. Sicher, er hatte vorher schon zuweilen eine
Klinge in die Hand genommen, aber dabei hatte die Wut seine angeborene Kraft
und Schnelligkeit geleitet. Er hatte weder sich selbst noch den Stahl
beherrschen können. Seine Gefühle versagten ihm noch immer viel zu oft die
Disziplin, aber die Waffen konnte er nun mit großer Sicherheit führen. Er wusste
jetzt, dass man den Griff nicht zu fest umklammern durfte, sonst konnte er
einem aus der Faust geprellt werden. Auch mit Morgenstern und Axt hatte er dort
die ersten Übungen absolviert. Später hatte er gelernt, im Unterholz zu
kämpfen, auf einem schwankenden Boot, im Moor. Treaton lobte ihn selten.
Dennoch glaubte Helion, dass sein Meister zufrieden mit seinem einzigen Schüler
war, wenn er ihn auch niemals einen Knappen nannte.
    »Gib mir mein Schwert, Helion«, flüsterte Treaton. Helion hatte
nicht bemerkt, dass er wieder erwacht war.
    Er stellte
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher