Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Feenzorn

Feenzorn

Titel: Feenzorn
Autoren: Jim Butcher
Vom Netzwerk:
Schreibtisch. Erschrocken beobachtete ich, wie ich mit der rechten den Brieföffner hob, als wäre ich der Mörder in einem blutrünstigen Film. Panisch versuchte ich, innezuhalten und den Brieföffner wegzulegen, doch meine Arme bewegten sich wie von selbst, als gehörten sie jemand anders.
    »Warten Sie!«, rief ich.
    Kühl und distanziert, aber nicht ohne Neugierde beobachtete sie mich.
    Ich ließ den Brieföffner auf meine eigene Hand niedersausen. Der Stahl drang zwischen Daumen und Zeigefinger glatt durch die Haut und nagelte mich auf meinem billigen Schreibtisch fest. Ein rasender Schmerz schoss meinen Arm herauf, das Blut rann aus der Wunde. Sosehr ich auch versuchte, meine Panik niederzuringen, ich war nicht in der Verfassung, die Kontrolle über mich zurückzugewinnen. Ein Wimmern kam über meine Lippen. Gequält versuchte ich, den Stahl herauszuziehen, ihn aus meiner Hand zu reißen, aber mein Arm zuckte nur zur Seite und drehte den Brieföffner gegen den Uhrzeigersinn herum.
    Vor Schmerzen verlor ich fast das Bewusstsein, ich hatte nicht einmal mehr genug Kraft, um zu schreien.
    Die Frau, das Feenwesen, beugte sich vor und schob meine Finger vom Brieföffner weg. Mit einer raschen, entschlossenen Bewegung zog sie ihn heraus und legte ihn flach auf den Schreibtisch. Mein Blut glänzte auf der Klinge. »Magier, du weißt es so gut wie ich. Wärst du nicht an mich gebunden, dann hätte ich nicht solche Macht über dich.«
    In diesem Augenblick tat mir vor allem die Hand weh, doch irgendwie dämmerte mir auch, dass sie die Wahrheit sagte. Eine Fee erscheint nicht einfach so und spielt mit einem herum. Man muss sie hereinlassen. Meine Patentante Lea hatte ich Jahre zuvor, als ich viel jünger und dümmer gewesen war, in mein Leben gelassen. Im letzten Jahr hatte ich ihr gekündigt und die Aussetzung ihres Anspruchs erzwungen. Das hätte mich für ein Jahr und einen Tag schützen müssen.
    Jetzt hatte sie allerdings jemand anders die Zügel überlassen. Jemandem, der an die zweite Abmachung nicht gebunden war.
    Ich schaute zu der Fremden auf, vor Schmerzen und aufflammendem Zorn brachte ich nur noch ein dumpfes Knurren hervor. »Wer bist du?«
    Die Frau fuhr mit einem schimmernden Fingernagel durch das Blut auf meinem Schreibtisch, hob ihn an die Lippen und kostete genießerisch mit der Zunge. Dann spielte ein kleines, sinnliches Lächeln um ihre Lippen, das so unmenschlich war wie alles andere an ihr. »Ich habe viele Namen«, murmelte sie. »Aber du kannst mich Mab nennen. Die Königin der Lüfte und der Finsternis, die Herrscherin des Winterhofs der Sidhe.«

3. Kapitel
     
     
     
    Ich hatte das Gefühl, ins Bodenlose zu stürzen.
    Eine Feenkönigin. In meinem Büro stand eine leibhaftige Feenkönigin. Direkt vor mir. Und ich redete mit ihr.
    Sie hatte mich am Wickel.
    O Mann, und ich hatte vorher gedacht, ich hätte Probleme.
    Die Angst kann buchstäblich das Wasser gefrieren lassen. Sie kann einen als kaltes Gefühl überkommen, das man herunterschluckt, worauf es durch die Kehle rutscht und sich in der Brust ausbreitet. Die Angst raubt einem den Atem und lässt das Herz schneller schlagen, auch wenn man sich nicht bewegt. Dann erreicht sie den Bauch und das Becken und lässt einen schaudern. Schließlich die Oberschenkel, die Knie (wo sie einen peinlichen Zwischenhalt einlegt), um endlich den großen Muskeln, die man eigentlich einsetzen sollte, um Hals über Kopf zu fliehen, jegliche Kraft zu rauben.
    Ich schluckte einen Happen Angst und starrte die böse, schöne Fee an, die vor meinem Schreibtisch stand.
    Mab lächelte erfreut. »Ja«, murmelte sie. »Klug genug, um sich zu fürchten. Um es wenigstens zum Teil zu verstehen. Wie fühlt es sich an zu wissen, was du weißt, mein Kind?« Ich sprach mit bebender Stimme und viel leiser, als es mir lieb war. »Ungefähr wie Tokio, als Godzilla den Strand heraufkam.«
    Mab legte den Kopf schief und beäugte mich, immer noch mit diesem Lächeln auf den Lippen. Vielleicht verstand sie die Anspielung nicht. Vielleicht gefiel es ihr auch nicht, mit einer dreißig Stockwerke hohen Eidechse verglichen zu werden. Oder ihr gefiel gerade das. Woher sollte ich das wissen?
    Ich hatte schon genug Mühe damit, menschliche Frauen zu verstehen.
    Mabs Blick erwiderte ich nicht, auch wenn ich mir wegen des Seelenblicks inzwischen keine Sorgen mehr machte. Damit er möglich ist, müssen beide Seiten eine Seele besitzen. Aber wenn man den Kontakt zu lange hält, können viele
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher