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Feenfuchs und Feuerkuss

Feenfuchs und Feuerkuss

Titel: Feenfuchs und Feuerkuss
Autoren: Lariane Westermann
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Stute langsam an, die grünen,
duftenden Halme zu knabbern. Sie kraulte ihr den Widerrist.
    „Im Moment ist die Zeit knapp,
aber das bisschen Schweiß auf dem Pelz hat noch keinem Pferd geschadet.“ Der Stallmeister
deutete mit dem Daumen auf die Tür. „Ab in die Schule mit dir.“
    Luisa verließ schweren Herzens
die Box. „Ich komme später wieder, Ophelia, keine Sorge.“
    Dem Stallmeister warf sie einen strengen
Blick zu, den sie von ihrer Mutter gelernt hatte, und eilte aus dem Stall. Es
war schrecklich, ihr Pferd in diesem fremden Stall zurücklassen zu müssen.

    Luisa kam gerade noch rechtzeitig
in der Schule, dem Schillergymnasium, an. Sie war immer noch vollkommen
aufgelöst. Ihre Mutter ahnte nicht, was sie ihr antat!
    Sie hastete über den leeren Hof
und schlidderte in der Eingangshalle in niemand Geringeren als ihre
Schulleiterin Frau Kunze hinein.
    „Oh, verdammt.“ Luisa versuchte
ein gewinnendes Lächeln zustande zu bringen.
    „Auf den letzten Drücker, Luisa?“,
fragte ihre Schulleiterin missbilligend.
    „Genau pünktlich“, antwortete sie
und presste die Lippen aufeinander.
    Frau Kunze zog eine Augenbraue
hoch. „Das hier ist Sam.“ Sie wies auf einen Jungen, den Luisa bis dahin gar
nicht bemerkt hatte, da er mit den Händen in den Hosentaschen seiner
ausgewaschenen Jeans hinter der Schulleiterin stand.
    Sam
Weston , schoss
es durch Luisas Kopf. Der Junge, der Anfang des Schuljahres auf ihre Schule
gekommen war.
    „Aus England“, fügte Luisa hinzu und
erschreckte. Hatte sie das laut gesagt?
    „Genau, aus England“, bestätigte
Frau Kunze.
    Luisa warf Sam einen vorsichtigen
Blick zu. Er starrte aus grau-grünen Augen auf sie herab. Seine dunkelbraunen
Haare fielen ihm in die Stirn. Luisa und ihre Freundinnen beobachteten den Neuen
gerne auf dem Schulhof und schlossen Wetten darauf ab, wann sie ihn das erste
Mal lächeln sehen würden, denn der Junge aus der zwölften Klasse lächelte nie. Er
hob seine markanten Augenbrauen ein Stück und nickte ihr reserviert zu.
    „Deine Mutter hat dich im
Nachhilfe-Programm unserer Schule angemeldet. Sam ist von nun an dein Pate und
wird mit dir bis zu den Osterferien den Lernstoff täglich aufarbeiten. Dann schaffst
du die Versetzung in die elfte Klasse bestimmt. Als Muttersprachler kann er dir
vor allem in Englisch gut helfen.“
    „Wunderbar“, sagte Luisa und
zwang sich das Gesicht nicht zu verziehen. Hatte ihre Mutter sie vielleicht
auch hinter ihrem Rücken in einem Kloster angemeldet? Damit ging Eva Frost
wirklich zu weit.
    Das
ist immer noch mein Leben ,
knurrte Luisa in Gedanken.
    „Ihr trefft euch heute nach der
sechsten Stunde. Dann könnt ihr alles Weitere besprechen.“
    Luisa nickte Frau Kunze zu. Eine verbale
Zustimmung brachte sie gerade nicht über die Lippen.
    „Einen erfolgreichen Schultag“,
flötete die Schulleiterin, als sie ging.
    Luisa atmete erleichtert aus. „Bleibt
fleißig“, äffte sie ihren fröhlichen Ton nach.
    „Dann bis später im Schülercafé?“,
fragte Sam.
    Luisa erstarrte.
    Man,
hat der eine umwerfende Stimme ,
dachte sie.
    Schnell klappte sie ihren Mund
wieder zu. „Ja, bis später. Im Schülercafé“, antwortete sie und winkte ein
wenig unbeholfen.
    Und dann geschah es! Luisa sah es
fast nicht, aber gleichzeitig war es nicht zu übersehen: Sam lächelte ihr zu!
Seine Mundwinkel hoben sich ein winziges Stück und seine weich aussehenden
Lippen entblößten weiße Zähne.
    Hilfe , schoss es Luisa durch den Kopf, das kam überraschend .
    Sie lächelte breit zurück. Der
Gedanke, was ihre besten Freundinnen Mathilde und Jeska, die von allen nur
Molly und Jess genannt wurden, dazu sagen würden, wenn sie ihnen erzählte, dass
Sam Weston sie angelächelte hatte, stimmte sie geradezu begeistert. Dann drehte
der Junge aus England sich um und ging in seinen schwarzen Boots davon.
    Sie merkte, dass sie immer noch lächelte,
während sie zu ihrem Klassenraum eilte. Dabei passierte sie den Flurspiegel vor
den Kunstklassen. Sie warf einen flüchtigen Blick hinein und ihr Herz setzte
einen Schlag aus.
    Plötzlich war ihr alles klar!
    „Er hat mich nicht angelächelt,
er hat mich ausgelacht“, stammelte sie, wischte sich über das Gesicht, das von der
Aufregung ganz gerötet war und zupfte zornig das Heu aus ihrem Haar. „Super
Auftritt, Luisa“, fuhr sie ihr Spiegelbild an.

    Luisa starrte auf die
vollgekritzelten Seiten ihres gelben Reclam-Heftes Die Leiden des jungen Werthers . Was für ein passender
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