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FBI: Die wahre Geschichte einer legendären Organisation (German Edition)

FBI: Die wahre Geschichte einer legendären Organisation (German Edition)

Titel: FBI: Die wahre Geschichte einer legendären Organisation (German Edition)
Autoren: Tim Weiner
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Gonzales trat ans Kopfende des Betts, einen braunen Briefumschlag mit der Bevollmächtigung des Präsidenten in der Hand. Er sagte zu Ashcroft, er brauche seine Unterschrift.
    Ashcroft hob den Kopf vom Kissen. Er lehnte ab, und zwar »sehr entschieden«. Er sagte, das Programm sei illegal. Seine Argumentation hatte »Hand und Fuß, was mich erstaunte«, sagte Comey. Dann ließ Ashcroft den Kopf wieder aufs Kissen sinken und sagte: »Aber das spielt keine Rolle, weil ich nicht der Justizminister bin. Der Justizminister ist hier.« Und er deutete auf Comey.
    Als Mueller eintraf, begegnete er den Abgesandten des Präsidenten, die mit leeren Händen abzogen. Sie wären beinahe aufeinander losgegangen.
    Der Präsident unterzeichnete die Befugnis am Morgen des 11. März im Weißen Haus – allein. Sie betonte explizit, dass seine Vollmacht als Oberbefehlshaber über allen Gesetzen des Landes stehe. Gegen Mittag traf sich Mueller mit Andrew Card, dem Stabschef des Weißen Hauses. Seinen Aufzeichnungen zufolge sagte er zu Card, das Weiße Haus versuche, die Gesetze »zu umgehen«.
    Am 12. März 2004, morgens um 1. 30 Uhr setzte Mueller handschriftlich eine Rücktrittserklärung auf. »Da seitens des Justizministers keine Klarstellung über die Rechtmäßigkeit des Programms vorliegt«, schrieb er, »sehe ich mich gezwungen, die Beteiligung des FBI zu beenden. Mehr noch: Sollte der Präsident die Fortsetzung der Beteiligung des FBI an dem Programm anordnen und sollte das Justizministerium weiterhin keine klare Rechtsauskunft erteilen, wäre ich gezwungen, als Direktor des FBI zurückzutreten.«
    Sieben Stunden später ging Mueller zum morgendlichen Briefing mit dem Präsidenten ins Weiße Haus. Es war eine ereignisreiche Nacht für die Terrorabwehr gewesen. In Madrid hatten islamische Dschihadisten unter Berufung auf Al-Qaida in vier Pendlerzügen zehn Bomben gezündet. 191 Menschen wurden getötet, 1800 verwundet. Es war der blutigste Terrorakt in Europa seit dem Bombenanschlag auf den Pan-Am-Flug 103 über Lockerbie im Jahr 1988. Das FBI prüfte, ob Verbindungen zu den Vereinigten Staaten bestanden.
    Nach dem Treffen stand der Präsident mit Mueller allein im Oval Office. Bush erkannte jetzt, dass der FBI-Direktor, der Justizminister und dessen Vize den Aufstand probten. Mueller sagte Bush ins Gesicht, er werde zurücktreten, falls das FBI die Anweisung erhielte, weiterhin Durchsuchungen gegen Amerikaner ohne richterliche Anordnung und ohne Anweisung des Justizministeriums durchzuführen. Er habe eine »unabhängige Verpflichtung gegenüber dem FBI und dem Justizministerium, die Rechtmäßigkeit der Maßnahmen zu gewährleisten, die wir treffen«, sagte Mueller laut seinen kürzlich freigegebenen Aufzeichnungen zu dieser Besprechung. »Eine präsidiale Order allein reicht dafür nicht aus.«
    Beide hatten einen Eid geleistet, die Gesetze der Vereinigten Staaten treu zu befolgen. Nur einer von ihnen wurde nicht eidbrüchig.
    Der Präsident spielte den Ahnungslosen. Er behauptete, er habe nicht gewusst, dass Stellar Wind rechtlich problematisch sei. Er habe nicht gewusst, dass Ashcroft im Krankenhaus sei. Er habe nicht gewusst, dass Mueller und Comey Alarm geschlagen hatten. Damit täuschte er sehr wahrscheinlich den FBI-Direktor, und zwar absichtlich.
    Zweifellos sah er ein politisches Desaster kommen. »Ich musste eine weitreichende Entscheidung treffen, und zwar rasch«, schrieb Bush in seinen Memoiren. »Ich dachte an das Samstagnacht-Massaker im Oktober 1973« – bei dem Nixon sich wegen der Herausgabe seiner geheimen Tonbandaufzeichnungen gegen das Justizministerium gestellt, den Justizminister und dessen Vize zum Rücktritt gezwungen und die Aura seiner präsidialen Macht zerstört hatte. »Diese Krise aus der Vergangenheit wollte ich nicht wiederholen. Es wäre keine große Genugtuung für mich gewesen zu wissen, dass ich bei den juristischen Grundfragen recht hatte, während gleichzeitig meine Regierung implodierte und unsere zentralen Programme im Krieg gegen den Terror in den Medien publik gemacht würden.«
    Bush versprach, die Programme auf eine rechtmäßige Grundlage zu stellen. Das geschah nicht über Nacht. Es dauerte Jahre. Doch im Vertrauen auf das Versprechen des Präsidenten zogen Mueller und seine Mitstreiter ihre Rücktrittsdrohung zurück. Bush wahrte das Geheimnis für weitere 20 Monate. Der Mann, der die Tatsache der Überwachung ohne richterliche Erlaubnis an die Öffentlichkeit brachte, war
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