Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fata Morgana

Fata Morgana

Titel: Fata Morgana
Autoren: Agatha Christie
Vom Netzwerk:
beiden rausgefischt hatten und es mit künstlicher Beatmung versuchten (ohne Erfolg), trat der Inspektor zu uns und sagte zu Grandam: ›Tut mir leid, Mrs Serrocold, aber es besteht keine Hoffnung mehr‹
    Grandam sagte ganz ruhig: ›Ich danken Ihnen, Inspektor.‹
    Dann sah sie uns alle an. Mich, die ich so gern geholfen hätte, aber nicht wusste, wie. Jolly, erschüttert, verletzlich – und fürsorglich wie immer. Stephen, der die Hände ausstreckte. Die kauzige alte Miss Marple, die so traurig und müde wirkte. Und Wally, und sogar er war völlig durcheinander. Alle, die sie so gern haben und die so gern IRGENDWAS getan hätten.
    Aber Grandam sagte nur: ›Mildred.‹ Und Tante Mildred sagte: ›Mutter‹ Und sie gingen zusammen ins Haus, Grandam so klein und zerbrechlich, auf Tante Mildred gestützt. Bis dahin war mir nie klar geworden, wie sehr die beiden einander zugetan sind. Sie haben es kaum gezeigt, weißt du, aber es war immer da.«
    Gina hielt inne und lutschte am Ende ihres Füllfederhalters. Dann schrieb sie weiter:
    »Was mich und Wally betrifft – wir kommen heim in die Sta a ten, sobald es geht...«

Dreiundzwanzigstes Kapitel
     
    » W ie bist du darauf gekommen, Jane?«
    Miss Marple ließ sich Zeit mit der Antwort. Nachdenklich sah sie die anderen beiden an – Carrie Louise, die noch dünner und zerbrechlicher, und doch seltsam unversehrt wirkte, und den alten Mann mit dem gütigen Lächeln und dem dichten weißen Haar. Dr. Galbraith, Bischof von Cromer.
    Der Bischof nahm Carrie Louises Hand. »Das ist ein großer Kummer für Sie, meine Tochter, und ein großer Schock.« »Ein Kummer ja, aber ein Schock eigentlich nicht.« »Nein«, sagte Miss Marple. »Das war meine Entdeckung, wissen Sie. Alle haben immer gesagt, dass Carrie Louise in einer anderen Welt lebt und keinen Kontakt mit der Wirklichkeit hat. Tatsächlich hattest du aber Kontakt mit der Wirklichkeit, Carrie Louise, und nicht mit der Illusion. Im Gegensatz zu den meisten von uns lässt du dich niemals von Illusionen irreführen. Als mir das plötzlich klar wurde, begriff ich, dass ich mich an das halten musste, was du gedacht und gefühlt hast. Du warst dir ganz sicher, dass nie jemand versuchen würde, dich zu vergiften, du hast es einfach nicht geglaubt – und du hattest völlig Recht damit, denn es war ja nicht so! Du hast nie geglaubt, Edgar könnte Lewis etwas antun, und wieder hattest du Recht. Er hätte Lewis tatsächlich nie etwas angetan. Du warst überzeugt, dass Gina keinen anderen liebt als ihren Mann, und auch das war richtig.
    Wenn ich mich also nach dir richtete, waren alle schei n bar wahren Dinge nur Illusionen. Illusionen, die für einen ganz bestimmten Zweck erzeugt wurden – so ähnlich, wie Zauberkünstler Illusionen schaffen, um ihr Publikum zu täuschen. Wir waren das Publikum.
    Alex Restarick hat als Erster die Wahrheit geahnt, weil er Gelegenheit bekam, die Dinge aus einem anderen Blickwinkel zu sehen – von außen. Er stand mit dem Inspektor in der Auffahrt, sah das Haus an und erkannte die Möglichkeiten, die die Fenster boten. Er erinnerte sich, dass er an dem fraglichen Abend jemanden laufen gehört hatte, und die Stoppuhr machte ihm dann bewusst, wie viel kürzer manche Abläufe sind, als man annimmt. Der Constable hat furchtbar gekeucht, und als ich später an den schnaufenden Polizisten dachte, fiel mir ein, dass auch Lewis Serrocold schwer geatmet hatte, als er an dem Abend aus dem Arbeitszimmer kam. Weil er nämlich schnell gelaufen war.
    Aber der Dreh- und Angelpunkt war für mich Edgar Lawson. Ich hatte von Anfang an den Eindruck, dass mit ihm etwas nicht stimmte. Alles, was er sagte und tat, hat absolut gestimmt für den, der er angeblich war, aber er selbst hat überhaupt nicht gestimmt. Weil er in Wirklichkeit ein normaler junger Mann war, der die Rolle eines Schizophrenen spielte – und er hat gewissermaßen bei allem ein bisschen zu dick aufgetragen. Er war immer theatralisch.
    Es muss alles sehr sorgfältig ausgedacht und geplant worden sein. Lewis muss schon bei Christians vorletztem Besuch gemerkt haben, dass etwas seinen Verdacht erregt hatte. Und er kannte Christian gut genug, um zu wissen, dass er, einmal misstrauisch geworden, nicht ruhen würde, bis er Gewissheit hatte, dass sein Verdacht entweder gerechtfertigt oder unbegründet war.«
    Carrie Louise bewegte sich. »Ja«, sagte sie. »Christian war so. Langsam und penibel, dabei aber äußerst scharfsinnig. Ich weiß nicht, was
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher