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Fast genial

Fast genial

Titel: Fast genial
Autoren: Benedict Wells
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von
irgendwelchen in die Luft gesprengten Kindern, rumliegenden Leichenteilen oder
Panikattacken verfolgt werden. Es muss doch noch irgendwas anderes geben.“
    „Na ja, du kannst ja auch, wie die meisten hier,
dealen, da kriegst du mehr Kohle“, sagte Toby, und dann mussten sie lachen.
    Aber eigentlich hatten sie gar nicht richtig
gelacht.
     
    Ende Februar stand der Umzug von Anne-May und John
unmittelbar bevor. Anfangs war Francis niedergeschlagen gewesen, aber
inzwischen hatte er sich damit abgefunden. Vielleicht lag es auch an der
Entscheidung, die er getroffen hatte.
    Es war ein kühler Sonntagvormittag, in vier Stunden
ging sein Flug. Er hatte all seine Jobs gekündigt und nutzte die ungewohnt
freie Zeit, um bei seinem Sohn zu sein. Anne-May und er sprachen kein Wort über
den Umzug. Er hatte längst aufgegeben, sie umzustimmen, auch wenn er glaubte,
dass sie selbst noch nicht ganz davon überzeugt war. Anfangs hatte er John im
Arm gehalten, nun saß er auf dem Sofa und beobachtete, wie Anne-May für ihren
Sohn Klavier spielte und ganz vertraut mit ihm umging. So viel vertrauter als
er. Francis wusste, dass dieser Gedanke falsch war, aber er konnte nicht
anders. In solchen Momenten spürte er diese Leere in sich und die Angst, dass
John ihn später nicht lieben würde. Dass er ihm alles gab, was er hatte, aber
dass es nie genug sein würde.
    Eine Stunde später verabschiedete er sich von seinem
Sohn und Anne-May. Er schlüpfte in den Dufflecoat und ließ sich von ihr zur Tür
bringen. Sie ahnte nicht, wie endgültig der Abschied war, und gab ihm nur
einen kurzen Kuss auf die Wange. „Interessante Frisur“, sagte sie noch mit
einem Lächeln.
    Francis fuhr mit dem Buick zurück, es hatte wieder
angefangen zu schneien, die Scheibenwischer rasten hin und her. Die Straßen
waren vereist, aber er lenkte den Wagen sicher durch die Stadt.
    Zu Hause saß er eine Weile gedankenversunken in der
Küche. Es war still im Trailer, seine Mutter lag in ihrem Zimmer und schlief.
Draußen wurde es bereits dunkel, das Licht drang nur noch gedämpft herein.
Francis spielte mit einem Messer und ritzte kleine Striche in den Plastiktisch.
Er musste an Nicky denken, den er schon lange nicht mehr gesehen hatte und der
bei ihren letzten Telefonaten so kurz angebunden gewesen war. Und wie Anne-May
ihm von einem Mann erzählt hatte, den ihre Eltern ihr neulich vorgestellt
hatten. Vor allem Letzteres hatte zu seiner Entscheidung geführt. Auf einmal
war ihm aufgefallen, wie ihm die Dinge entglitten. Er hatte gemerkt, dass er
auch mit Anne-May nur noch stritt und dass er schon anfing, zu spät zu Verabredungen
mit seinem Sohn zu kommen und Verpflichtungen nicht mehr einzuhalten. Er
begann allmählich loszulassen. Doch er wollte nicht miterleben, wie er alles verlor. Wie
seine Mutter wieder und wieder in die Klinik kam, bis sie sich eines Tages die
Pulsadern aufschnitt. Wie ihm Anne-May und sein Sohn entfremdet wurden und
Anne-May schließlich einen Typen aus dem Architekturbüro heiratete, mit ihm
noch ein Kind bekam und wie ihr Mann dann John adoptierte, es wäre ja das Beste
für ihn. Und deshalb hatte er sich entschieden, etwas zu tun.
    Morgen würde er sich im nächstgelegenen Rekrutierungsbüro
in Somerville freiwillig für den Krieg verpflichten. Da er gesund, kräftig und
groß war, würden sie ihn nehmen und nach Afghanistan oder in den Irak schicken,
und wenn er Pech hatte, würde er verstört wiederkommen oder gleich dort
sterben. Schon oft hatte er das vor Augen gehabt, und inzwischen war er sich
sicher, dass es so kommen würde. In dem Fall würde er wenigstens ein schönes
Begräbnis kriegen, so wie Brad Jennings' Bruder. Die Leute würden herbeiströmen
und am Grab stehen, Anne-May würde weinen und Grover ein rotes Gesicht und eine
beschlagene Brille haben. Später würde seine Mutter eine kleine Rente
bekommen, und seinem Sohn könnte man erzählen, dass sein Vater kein Versager
aus dem Trailerpark war, sondern ein Held, der sein Land unter Einsatz seines
Lebens verteidigt hatte.
    Natürlich war das alles verrückt. Francis ritzte
noch immer Striche in den Küchentisch und schüttelte den Kopf. Doch es gab
einfach nicht mehr viel, was er noch tun konnte. Alles, was ihm übrigblieb, war
diese eine Möglichkeit.
     
    Und das Flugticket nach Las Vegas.
     
    3
     
    Als er in Vegas landete und die Lichter sah, bekam
Francis ein flaues Gefühl. Er hatte nur eine kleine Tasche dabei und ließ sich
von einem Taxi zum mgm Grand
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