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Fast genial

Fast genial

Titel: Fast genial
Autoren: Benedict Wells
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Ampulle aus der Samenbank in
Wahrheit das Sperma eines Verlierers enthalten hatte. So würde sie bis an ihr
Lebensende die Hoffnung behalten, dass aus ihm doch noch mal etwas Besonderes
werden könnte.
    Sein richtiger Vater war für Francis mittlerweile
wieder so nebensächlich wie früher. Er versuchte diese Begegnung zu vergessen,
allerdings war neulich eine Fliege durch sein Zimmer gesurrt, bis er einmal
nach ihr geschnappt und sie in der Hand gehabt hatte. Da war ihm die Szene mit
seinem Vater in dem mexikanischen Restaurant eingefallen. Ihm war bewusst
geworden, dass es auch seinen Sohn John ohne Doblinskis Samenspende nicht geben
würde, und er hatte einige Tage gebraucht, um diese Vorstellung und seine Erinnerungen
an Tijuana wieder loszuwerden.
    Doch meistens verdrängte er das alles. Oder er
wünschte sich, dass Andy damals aus Liebe zu seiner Mutter einfach die Ampullen
vertauscht hätte und sein richtiger Vater wäre. Und dass er eines Tages hier
auftauchen und alles gut werden würde. Francis konnte einfach nicht vergessen,
wie liebevoll Andy damals auf dem Sofa mit seinem kleinen Sohn umgegangen war.
Als er das gesehen hatte, war ihm klargeworden, was ihm immer gefehlt hatte.
Und obwohl das alles sehr kindliche, dumme Gedanken waren, hatte er schon vor
Monaten im Internet nach Andys Nummer gesucht. Er hatte sich vorgenommen, ihn
ein Mal, nur ein einziges Mal anzurufen. Ging Andy selbst ran, würde er ihm
alles sagen, was er dachte, erreichte er nur seine Frau oder gar niemanden,
würde er es für immer seinlassen.
    Francis legte sich schlafen. Im Traum sah er sich
wieder im Casino stehen, am Ende alles auf eine Farbe setzen und reich werden.
Danach träumte er wie so oft in letzter Zeit von seinem eigenen Tod, wie er
erschossen oder in die Luft gejagt wurde. Auch dieser Traum fühlte sich
erschreckend real an, und als er am nächsten Morgen erwachte, war er noch lange
Zeit benommen.
     
    2
     
    Es war Winter, die Reise lag nun zweieinhalb Jahre
zurück. Francis war inzwischen zwanzig und stand in seinem kärglichen Zimmer.
Aus einem cd -Player dröhnte Musik. Er machte hundertfünfzig
Liegestütze und hundert Sit-ups, dann lief er eine Runde durch sein Viertel. Es
war eiskalt, Schnee lag auf dem Bürgersteig, die Luft schnitt ihm in die Lunge.
Auf der Straße sahen ihm ein paar Frauen nach. Der Job auf dem Bau hatte ihn
gestählt, außerdem trainierte er wieder mit Gewichten, wie früher als Ringer.
    Gegen Mittag telefonierte er mit Anne-May. In
letzter Zeit stritten sie viel, immer ging es dabei um John. „Ich darf ihn kaum
noch sehen“, sagte er. „Es ist ja fast schon ein Wunder, dass ich bei seiner
Geburt dabei sein durfte. Und du weißt ganz genau, wer daran schuld ist!“
    Als Anne-May wie so oft ihre Eltern in Schutz nahm,
legte Francis auf. Es machte ihn krank, dass er seinen Sohn so selten zu
Gesicht bekam. Was er auch tat, die Gardeners versuchten noch immer ihn von
Anne-May und seinem Kind fernzuhalten. Er wollte der beste Dad der Welt sein,
doch sie drängten ihn in die Rolle des verantwortungslosen Versagers, für den
sie ihn hielten. Und Anne-May stand ihm nie zur Seite. Nie! Immer ließ sie sich
von ihren Eltern unterkriegen und verteidigte die beiden.
    „Wir wollen nicht, dass du deinen Sohn in dieses
Rattenloch mitnimmst“, hatten sie einmal zu Anne-May gesagt, als sie mit John
im Trailer vorbeischauen wollte. Als sie Francis davon erzählt hatte, war er
zunächst völlig sprachlos gewesen.
    „Und was hast du ihnen geantwortet?“, hatte er
gefragt.
    Doch Anne-May hatte nur mit den Schultern gezuckt.
Er sah ihr an, dass sie etwas anderes wollte und dass ihr alles leidtat, dass
sie aber einfach nicht die Kraft hatte, sich ihrer Familie zu widersetzen. Der
neueste Plan der Gardeners war, nach New York zu ziehen. Dadurch würden sie
ihm Anne-May und seinen Sohn endgültig wegnehmen, denn natürlich konnte er
nicht ständig nach New York kommen.
    Anne-Mays Eltern schienen wild entschlossen, und
Francis spürte, dass er auch diesen letzten wichtigen Kampf verlieren würde.
    Vor einigen Tagen hatte er Anne-May zaghaft
vorgeschlagen, sie könne sich doch hier in Claymont einen Job suchen. Aber
sie hatte gemeint, ihr Vater habe ihr eine Halbtagsstelle als Sekretärin
organisiert, bei einem renommierten Architektenkollegen in Manhattan, und sie
werde den Job annehmen, sobald John alt genug sei. Sie wolle endlich hier raus.
    „Und ich etwa nicht?“, hatte er gesagt.
    Sie hatten sich beide
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