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Familienpoker: Vijay Kumars vierter Fall (German Edition)

Familienpoker: Vijay Kumars vierter Fall (German Edition)

Titel: Familienpoker: Vijay Kumars vierter Fall (German Edition)
Autoren: Sunil Mann
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Hemd behielt ich an, schlüpfte in Jeans und kehrte zu meinem ungebetenen Gast zurück.
    Das Mädchen war höchstens sechzehn. Ihr zu einem Bob geschnittenes, schwarzes Haar glänzte wie Klavierlack, derweil das eigentlich hübsche Gesicht leichenblass gepudert war. Zusammen mit den schwarz getuschten Wimpern und den brombeerfarbenen Lippen sah das aus, als wäre sie erst kürzlich einem Sarg entstiegen.
    Zu anthrazitfarbenen Leggins trug sie schwere geschnürte Motorradstiefel und unter einem offenen schwarzen Jeansjäckchen eine Designerbluse, deren olivgrüner Stoff sich über Bauch und Brust spannte.
    Obwohl die Sonne hell in mein Büro schien, lag ein düsterer Schatten auf ihrem Antlitz und hinter ihrer überheblichen Haltung verbarg sich etwas Dunkles, Schwermut oder Trauer vielleicht.
    »Was führt dich zu mir?« Ich breitete auffordernd die Arme aus.
    Abschätzend taxierte sie mich und sagte schließlich in bestimmendem Ton: »Finde mich!«
    »Wie bitte?«
    »Du sollst mich finden!«
    Ich starrte sie an, während ich in Gedanken alle Erklärungsmöglichkeiten für diese hirnrissige Forderung durchging: Entweder war die junge Frau schizophren oder schwachsinnig, was mir angesichts ihres Vampirlooks am einleuchtendsten erschien. Vielleicht war sie aber auch von Freunden bezahlt worden, um mich zu verarschen. Der Racheakt einer Exfreundin. Der Berufsverband machte eine Qualitätskontrolle. Oder es handelte sich um einen Streich mit der versteckten Kamera, worüber später Millionen auf YouTube lachen würden.
    Auf jeden Fall musste ich auf der Hut sein.
    »Sorry, jetzt hab ich wohl die Pointe verpasst«, sagte ich vorsichtig.
    »Das war ja auch kein Witz!«, erwiderte sie gehässig. »Ich will nur, dass du mich findest.«
    »Gibt es denn eine Vermisstenmeldung?«
    »Die gebe ich gerade auf.«
    »Ist das ein Spiel?«
    »Sehe ich aus wie ein Kind?«
    »Ich glaube, du verarschst mich.«
    »Und du nimmst mich nicht ernst.«
    Ein durchaus diskussionswürdiges Argument. Ihr Anliegen war – milde ausgedrückt – absurd.
    »Sag mir, was du wirklich willst.«
    Sie verdrehte die Augen. »Welchen Teil von ›Finde mich‹ verstehst du nicht?« Offensichtlich ödeten mein mangelndes Verständnis und ich sie gerade voll krass an.
    »Ich komm einfach nicht drauf, welche wichtige Information mir abgeht, aber in meiner Realität sitzt du gerade vor mir. Auf meinem Sessel. Ich sehe dich, ich höre dich, wenn ich wollte, würde ich dich sogar riechen und spüren. Was also soll der Scheiß?«
    »Aber ich bin nicht ich!«
    Ich strich mir mit der Hand übers Gesicht und versuchte, die Beherrschung nicht zu verlieren. »Sondern?«
    »Jemand anders!«
    »Wer denn?«
    »Du bist der Schnüffler! Find es raus!«
    »Was stimmt bloß nicht mit dir?«
    »Dasselbe könnte ich dich fragen!«
    Voller Abscheu kreuzten sich unsere Blicke, als unvermittelt ihr Handy zu klingeln begann. Ruckartig erhob sie sich und nahm den Anruf entgegen, während sie wie selbstverständlich durch mein Arbeitszimmer schlenderte und abwesend Dinge betatschte oder verrückte.
    »Ja, voll! Megadoof!«, rief sie, verzog angeekelt das Gesicht, als sie ein seit geraumer Zeit herumstehendes Proseccoglas erblickte, und blieb am Fenster stehen. Unvermittelt stieß sie ein quietschendes Kichern aus, kaute an einem Fingernagel und legte den Kopf schief. Das betont erwachsene Getue von eben war wie weggewischt.
    Ich nahm mir vor, später empört über ihr respektloses Verhalten mir gegenüber nachzudenken. Momentan gab es Wichtigeres: Soeben hatte ich nämlich die Whiskyflasche entdeckt, die immer noch auf meinem Schreibtisch stand, wo ich sie gestern Nacht zusammen mit einem benutzten Glas zurückgelassen hatte. Ich zog die Flasche zu mir hin, fischte mit dem Zeigefinger ein paar verendete Fruchtfliegen aus der Pfütze, die auf dem Grund des Tumblers schwappte, und schuf den Viechern ein Massengrab an der Tischkante, bevor ich mir eine tröstliche Ration Amrut einschenkte.
    »Ein schöner Tod«, sagte ich zu mir selbst und setzte das Glas an. Wie Schmirgelpapier brannte das Gesöff durch Kehle und Eingeweide. Kaum hatte ich meinem Körper die ganzen vier Fingerbreit Whisky zugeführt, fühlte ich mich wesentlich besser.
    »… und dann er so, ey sorry, und ich so: Fick dich, Mann! Und er so, wehe, wenn er den Imre erwischt, und dann mischt sich voll die Anja ein, total crazy, und ich so, was geht denn hier ab, und sie gleich so: Scheiße …«
    Mit einem Mal kam ich mir
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