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Familienpoker: Vijay Kumars vierter Fall (German Edition)

Familienpoker: Vijay Kumars vierter Fall (German Edition)

Titel: Familienpoker: Vijay Kumars vierter Fall (German Edition)
Autoren: Sunil Mann
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uralt vor.
    »Echt, hat er das voll über mich gesagt? Krass!« Ihre Stimme rutschte plötzlich eine halbe Oktave höher, doch so wie sie sich jetzt die Fingerspitze an die Lippen legte, sah sie eher wie ein ratloses Mädchen bei der Matheprüfung aus und weniger wie der verführerische Vamp, der sie wohl sein wollte. Sie drehte sich um und warf mir einen verklärten Blick zu.
    Ich tippte demonstrativ auf meine imaginäre Armbanduhr und nachdem sie nochmals höchst umständlich durchgespielt hatte, wer wen wie wo weshalb megafies gedisst hatte, beendete sie den Anruf und ließ sich wieder in den Sessel mir gegenüber plumpsen.
    Ich glotzte sie fassungslos an. Trotz meines Zustandes ließ ich mich nicht so leicht verarschen. Ich hatte die säuselnde Melodie des Weckdienstes zwar nur gedämpft gehört, aber ich war felsenfest überzeugt davon, dass da keiner am Telefon gewesen war. Ich fragte mich, was das Mädchen mit dem ganzen Theater bezweckte.
    »Können wir?« Ich schenkte mir einen klitzekleinen Drink nach und schob das eben zugespielte Ass als späteren Trumpf in meinen Ärmel.
    Meine potenzielle Klientin inspizierte einen Moment lang eingehend den abblätternden schwarzen Lack ihrer Fingernägel, bevor sie aufsah und mich verächtlich fixierte. Ungerührt fixierte ich zurück.
    »Also nochmals von vorn: Du bist nicht du, sondern jemand anders.«
    »Genau!«
    »Ich komm immer noch nicht mit.«
    Sie seufzte ungehalten, als sei ich schwer von Begriff. »Ich bin nicht diejenige, von der alle glauben, ich sei sie, also … Ich meine, ich bin eine andere, als die, die jetzt vor dir sitzt.«
    »Ach so!« Multimedial vernetzt und jederzeit erreichbar, aber ein halbwegs sinnvoller Satz wurde heutzutage zur Mangelware.
    »Ich weiß auch nicht, wie ich es erklären soll …«
    »Versuchs trotzdem, meine Dankbarkeit wäre unendlich!«
    Unschlüssig kaute sie auf ihrer Unterlippe herum, bevor sie tief Luft holte: »Manchmal denke ich, meine Eltern sind nicht meine Eltern.«
    Dieser Gedanke war in der Pubertät wohl jedem schon mal gekommen, mich eingeschlossen. Aber nur so eine verzogene Tussi kam auf die Idee, deswegen gleich einen Ermittler einzuschalten.
    »Und was führt dich zu der Annahme?«
    »Meine Eltern und ich, da klickt nix. Anderer Planet. No connection , verstehst du?« Sie sah mich abwartend an, doch als ich nichts erwiderte, präzisierte sie: »Die sind so … so … krass anders.«
    »Und was soll ich deiner Meinung nach jetzt tun?«
    Sie machte eine vage Handbewegung, die alles Mögliche, aber auch nichts bedeuten mochte.
    »Hör mir mal gut zu, Kindchen: So kommen wir nicht weiter.« Ich richtete mich auf und betonte jedes Wort, damit sie merkte, wie ernst es mir war. »Ich habe weder Zeit noch Nerven für irgendwelche idiotischen Teenieallürchen. Geh nach Hause und rede mit deinen Eltern oder red eben nicht mit ihnen, es ist mir ehrlich gesagt egal! Aber bei mir bist du fehl am Platz!«
    Sie griff in die vordere Hosentasche und nestelte ein pralles Bündel Hundertfrankennoten hervor. »Nimm dir, so viel du brauchst.«
    Mit abfälliger Miene warf sie mir das Geld über den Tisch hinweg zu.
    ›Wohlstandsverwahrlosung‹ war der Begriff, der mir spontan in den Sinn kam. Eine von ihren Eltern emotional – aber keineswegs pekuniär – vernachlässigte Göre, die sich dermaßen nach einem kleinen bisschen Aufmerksamkeit sehnte, dass ihr jedes Mittel recht war und sie nicht einmal vor einem verkaterten indischstämmigen Privatdetektiv haltmachte. Ich hatte nicht die geringste Lust, mich auf ihr Spiel einzulassen.
    »Es ist nur so ein Gefühl, weißt du …«, setzte sie hinzu.
    Ich stöhnte auf.
    »Hallo? Ich mein ja nur, gell!«, fuhr sie mich an. Ich war überrascht, wie abrupt sie von einer Rolle in die andere schlüpfte. Von der Zicke zum Vamp, zur Lolita, zur Furie. Das musste mit der Spätpubertät und den verrücktspielenden Hormonen zusammenhängen. Kein Wunder wollten ihre Eltern nichts mehr mit ihr zu tun haben.
    »Das ist ein voll konkreter Auftrag und wenn dir das nicht fein genug ist, geh ich zu einem anderen Schnüffler!«
    »Dann tu das! Aber ich habe kein Interesse, vielen Dank!«
    »Was?« Schlagartig hielt sie inne und fuhr sich irritiert durchs Haar.
    »Welchen Teil von ›kein Interesse‹ verstehst du nicht«, äffte ich sie mit mädchenhafter Stimme nach. Es tat unglaublich gut.
    »O Mann, aber echt jetzt! Ich hab hier den voll fetten Auftrag für dich!« Sie griff sich das
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