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Familienalbum

Familienalbum

Titel: Familienalbum
Autoren: P Lively
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Nase. Hilf meinem Gedächtnis nach: Was genau ist sein Fachgebiet?«
    »Fachgebiet? Charles schreibt Bücher. Oder hat welche geschrieben. Universalgelehrter – diesen Titel ließe er sich wahrscheinlich gefallen. Geschichte, Philosophie, Soziologie – ein bisschen von allem.«
    »Mir kam der Name tatsächlich bekannt vor. Als wir uns kennenlernten.«
    »Da wäre er aber geschmeichelt!«
    »Große Leserschaft?«, erkundigte sich Philip nach einer kurzen Pause.
    »Eigentlich schon. Er schreibt verständlich. Wohl verständlicher als die Akademiker. Hör mal, wir müssen runter.«
    Er breitete die Arme aus. »Komm her.«
    »Jetzt nicht. Später.«
    *
    Die Küche war das Herz von Allersmead. Natürlich. Das ist in jedem Haus so, das von einer echten Familie bewohnt wird, und Allersmead war eine richtige Familien-Kultstätte. In dem riesigen Raum hatte zu viktorianischen Zeiten eine Köchin gewaltet, die ihren wohlhabenden Herrschaften den Sonntagsbraten servierte. Nun gab es hier zwar keinen Aga, aber einen großen, alten Gasherd mit vielen Dellen, eine mit Tellern, Tassen und Bechern überladene Anrichte, einen blank gescheuerten Holztisch mit Platz für zwölf Personen. Hinter dem Steingut auf der Anrichte steckten immer noch Kinderzeichnungen, und auf einem Regal stand neben undefinierbaren, von kleineren Kindern aus Ton gekneteten Tieren ein bemalter Tiger aus Pappmaschee. An Haken hingen Namenstassen: Paul, Gina, Sandra, Katie, Roger, Clare.
    Philip aß mit sichtlichem Genuss zwei Scheiben Orangen-Zitronen-Kuchen.
    Gina musterte den Pappmaschee-Tiger. Den hatte Katie gemacht. Wo ist denn mein Fisch? Wir haben die Dinger in der Schule gebastelt und Mum zu Weihnachten geschenkt. Der Fisch hat auf Dauer wohl keine Gnade gefunden.
    Es gab Tee. In der Küche herrschte ein Kommen und Gehen. Charles kam herein, stand mit der Tasse in der Hand milde lächelnd herum und zog sich wieder zurück. Paul kam herein, schlang Kuchen und Brownies hinunter und bot Gina an, ihr Auto zu warten – »gegen eine kleine Entschädigung natürlich«. Nachdem er gegangen war, heulte draußen ein Motor auf. Gina blickte beunruhigt hoch.
    »Keine Sorge«, sagte Alison. »Das ist sein eigenes Auto. Mit der neuen Stelle hat er sich einen alten Golf zugelegt. Und jetzt lernt er ganz viel über Motoren. Er ist ja so gescheit.«
    Ingrid saß am Tischende und enthülste dicke Bohnen. Dabei erörterte sie mit Alison die Frage, ob sie die Kartoffeln als Pommes dauphinoises zubereiten sollten oder nur als Püree. An der Wand tickte, vielleicht eine Spur zu laut, eine große, alte Bahnhofsuhr.
    »Zeig Philip doch den Garten«, sagte Alison. »Geht Ingrids Gemüsegarten bewundern. Sie hat auch ein paar Dahlien. Aber einen Ziergarten hatten wir natürlich nie.« Sie strahlte Philip an. »Wir haben Kinder großgezogen, keine Blumen.«
    Gina schob geräuschvoll den Stuhl zurück, stand auf und nickte Philip zu. »Dann komm mal mit.«
    Sie stiegen die paar Stufen von der Terrasse in den Garten hinunter. Es war August. Der weite, schräg abfallende Rasen war struppig und stellenweise auch gelb. Ein paar Hortensien leuchteten, aber insgesamt hatte man den Eindruck von ungezähmtem Grün – wuchernde Büsche, mächtige Bäume. An einem dicken, in den Rasen hinausragenden Ast hing eine einfache Schaukel, ein Brett an zwei Seilen. Als sie zu den verborgenen Bereichen hinter der Rasenfläche gelangten, sah Philip an einem anderen Baum eine Strickleiter hängen, eine zweite Schaukel, einen Sandkasten mit einer Decke aus totem Laub.
    »Eine leere Bühne sozusagen«, bemerkte er. »Irgendwie rührend. Noch keine Enkel?«
    »Bisher ist noch keiner dazu gekommen.«
    Dieser Teil des Gartens war noch stärker verwildert, bis auf einen ausgesprochen ordentlichen Gemüsegarten ganz hinten – ein Tipi aus Bohnenstangen, ein Beet mit buschigen dicken Bohnen, Reihen von Möhren, Kopfsalat, Zwiebeln. Eine baumbestandene Böschung begrenzte das Grundstück; davor breiteten sich Sträucher aus, es gab Flecken von ungemähtem Gras, einen alten Komposthaufen mit Zweigen und verrottenden Pflanzenresten, und direkt unterhalb des Rasens, in der Mitte des Grundstücks, ein völlig ebenes, mit welkem Gras bewachsenes Rechteck, das von archäologischer Bedeutung schien.
    Philips Blick blieb daran hängen. »Was war denn hier?«
    »Ein Teich«, sagte Gina. Sie ging zum Gemüse hinüber. »Hiermit bewundere ich euch«, sagte sie zu den Pflanzen. »Wie befohlen. Und die
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