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Familienalbum

Familienalbum

Titel: Familienalbum
Autoren: P Lively
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Dahlien.«
    Philip trat neben sie. »Und du warst wirklich über ein Jahr nicht mehr hier?«
    »Gut möglich«, sagte sie. »Ich bin sehr beschäftigt. Wie du vielleicht bemerkt hast.«
    »Dieser Garten muss für Kinder ein Paradies gewesen sein.«
    »Paradies?« Gina lachte aus unerfindlichen Gründen, immer noch das Gemüse betrachtend. Damals gab es das Grünzeug noch nicht, dachte sie. Ingrid hat ein neues Talent entdeckt – neu und nützlich.
    »An meiner Schule gab es eine Familie mit fünf Kindern«, sagte Philip. »Die habe ich immer beneidet, eine Bande frei Haus. Dagegen habe ich mich mit nur einer mickrigen Schwester immer nackt und bloß gefühlt. Wart ihr auch so eine Bande?«
    »Mafia-Aktivitäten beschränkten sich aufs Haus. In der Schule haben wir getan, als würden wir uns nicht kennen.«
    »Und wo seid ihr jetzt alle? Du erwähnst die anderen kaum. Von Paul hast du ein-, zweimal gesprochen, das war alles.«
    »Weit verstreut.« Gina zerdrückte einen Stängel Majoran und schnupperte. »Mmm! Kräuter hat sie auch.«
    »Wohin verstreut? Erzähl doch mal.«
    »Ach …« Sie winkte vage ab. »Roger ist in Kanada. Katie hat einen Amerikaner geheiratet. Clare – wo die gerade steckt, weiß ich auch nicht. Sandra ist wohl in Italien, das war jedenfalls das Letzte, was man von ihr gehört hat. Hast du Lust auf einen Spaziergang durch die Gegend? Es gibt hier einen ganz hübschen Park.«
    »Wohnt Paul ständig hier?«
    »Paul kommt und geht«, sagte sie. »Der Park, wie ich schon sagte. Auch die Kirche ist einen Blick wert, Neugotik, kann jeden Moment aufgegeben werden, die Gemeinde ist nicht größer als ein Dutzend. Gehen wir.« Sie entfernte sich.
    *
    Sie lagen im Bett. Ringsum knarzte das Haus, als würde es sich setzen. Dielenbretter ächzten. Ein Schrank gab einen gedämpften Pistolenknall von sich. Gina erinnerte sich an das Gespenstergewimmel hier, als sie acht war. Unter Lebensgefahr schlich man zum Bad.
    »Ich habe zu viel gegessen«, sagte Philip. »Ausgezeichnet, das Essen. Ist das immer so?«
    »Meine Mutter kocht gern.«
    Nach einer Weile sagte Philip: »Er ist ganz schön gesprächig, wenn er sich dazu entschließt.«
    »Entschließen ist das richtige Wort.«
    »Manchmal kommt man ziemlich ins Hintertreffen. Deutsche Philosophen sind nicht gerade meine Stärke.«
    »Und wenn sie es wären, dann wäre ihm das wahrscheinlich gar nicht recht.«
    Kurzes Schweigen. »Wie schlägt sich da Alison? Und – äh – Ingrid?«
    »So etwas wird von ihnen nicht verlangt.«
    »War er nie Akademiker im klassischen Sinn? Kein Lehrauftrag an der Uni?«
    »Eine regelmäßige Beschäftigung lag ihm wohl nicht.«
    »War ich in Sachen Irak vielleicht ein bisschen zu heftig? Das einzige Thema, bei dem ich mich für relativ gut informiert hielt. Man kann sich jetzt nicht mehr darauf versteifen, dass Blair Informationen über Massenvernichtungswaffen gehabt haben muss, wenn das offenkundig nicht stimmt.«
    »Mein Vater kann das schon«, sagte Gina.
    »Bist du …«, fragte Philip vorsichtig, »bist du … gelegentlich … mit ihm aneinandergeraten?«
    Sie lachte. »›Aneinandergeraten‹ gefällt mir. So zartfühlend. Ja, ich bin mit ihm aneinandergeraten. Besser gesagt, ich bin gegen ihn angerannt.«
    »Egal – für jugendliche Denker ist so etwas sehr anregend. Es gab nicht viel, wozu meine Eltern eine Meinung hatten.«
    »Kein Wort gegen deine Eltern.«
    Er drehte sich auf die Seite und streckte den Arm aus. »Komm her.«
    »Ich warne dich – dieses Bett quietscht.«
    Er kniff die Augen zusammen. »Ich dachte, wir sind hier im Gästezimmer. Ach so – David …«
    Sie seufzte.
    »Egal – komm trotzdem her.«
    *
    Die Familie wirbelt durch das ganze Haus, glücklich lächelnde Gesichter, in Rahmen auf Kaminsimsen und Fensterbrettern, auf dem Klavier, an den Wänden. Der dick gewickelte Kokon in Alisons Armen verwandelt sich in ein niedliches Kleinkind mit Wuschellocken, und ein neuer Kokon erscheint. Die Kleinkinder bekommen lange Beine, winken von Ästen herunter, schlagen Räder auf dem Rasen. Grinsend stehen sie der Größe nach aufgereiht, jeder mit dem Arm auf der Schulter des Nächsten. Die Großen tragen die Kleinen huckepack. Die Sonne vergangener Sommer malt Lichttupfen auf ihre Gesichter. Einmal haben sie einen Schneemann gebaut und ihm Charles’ Pfeife in den Mund gesteckt. Sie sind in einer ewigen Kindheit konserviert, verzückt, versunken, durch nichts getrübt.
    Philip vertieft sich in die
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