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Falscher Ort, falsche Zeit

Falscher Ort, falsche Zeit

Titel: Falscher Ort, falsche Zeit
Autoren: Walter Mosley
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getroffen«, erklärte ich ihm, »in einem Café. Sie hat mir von ihrem Problem berichtet, und ich habe ihr zugesagt, mir die Sache anzusehen.«
    Er schlug mich zwei Mal.
    »Ich habe die Besitzverhältnisse des Leontine Building unter die Lupe genommen …«
    Er schlug mich.
    »… und herausgefunden, dass die Regents Bank der Eigentümer ist. Daraus habe ich geschlossen, dass Shell, also Sie, für die Regents Bank arbeiten muss.«
    Er schlug mich noch einmal.
    Ich boxe in Clubs, seit meinem vierzehnten Lebensjahr. Ich bin zweihundert Mal an einem Abend von Mittelschwergewichtlern und Schwergewichtlern getroffen worden, die wissen, wie man zuschlägt. Vielleicht sah ich beschissen aus, aber man sollte sich niemals von Äußerlichkeiten beeindrucken lassen oder einen Boxer nach seinen Wunden beurteilen.
    »Wo ist sie?«, fragte Shell.
    Ich merkte, dass meine Gedanken, angestoßen von Shells Powerpunch, im Kreis geschweift waren.
    »Ich weiß nicht, wo sie ist.«
    »Woher wussten Sie dann, dass Sie zur Regents Bank kommen mussten?«
    »Sie hat mir von Ihnen erzählt oder von einem Mann Ihres Namens, den sie in einem Büro im Leontine Building getroffen hatte. Ich bin Detektiv. Ich bin der Spur gefolgt.«
    Mammut trat vor und schlug mich. Das katapultierte den Stuhl von den Beinen und mich ins Land der Träume.
    Als ich aufwachte, saß ich wieder aufrecht. Mammut hatte sich wieder an die künstliche Holzwand gelehnt, und der Kamin loderte, ohne besonders viel Wärme zu verströmen.
    »Wo ist sie?«, fragte Shell mich von irgendwo links.
    Ich wandte den Kopf in seine Richtung.
    »Lassen Sie nicht zu, dass der Typ mich noch mal schlägt«, sagte ich. Das war der erste Schritt meines Plans. Es war keine besonders großartige Strategie, doch es war eine, und ich hielt mich daran.
    »Dann sagen Sie mir, wo sie ist.«
    »Sie hatte Geld bei sich«, sagte ich. »Dreitausend Dollar. Sie wollte einen Bus nach Westen nehmen. Ich hab ihr gesagt, sie soll noch eine Weile hier bleiben, sich ein Hotelzimmer nehmen und mich in fünf Tagen anrufen. Sie hat mir fünfhundert Dollar gegeben und ist untergetaucht.«
    Ich dachte, sein nächster Schlag hätte mir die Nasegebrochen. Dem war nicht so, aber es fühlte sich auf jeden Fall so an.
    »Wo ist sie?«
     
    Mit den Schlägen ging es noch eine Weile weiter. Sie wurden heftiger und kamen schneller, als ihnen klar wurde, dass ich hart im Nehmen war. Leider waren diese Typen keine Sadomasochisten. Leider, sage ich, weil ich, wenn sie ein Messer – oder auch nur eine brennende Zigarette – gezückt hätten, meinen Plan in Gang hätte setzen können. Aber sie schlugen mich nur. Ich wollte es ihnen nicht so leicht machen, also ertrug ich die Bestrafung, bis ich dachte, dass sie mich lange genug geschlagen hatten, um jemanden zu brechen, der nicht in der Kunst des Faustkampfs trainiert war.
    Ich hatte einmal einen Kurs in Method Acting belegt, bei einer wunderbaren Schauspielerin namens Anja Klieger. Ich hatte nicht die Absicht, auf die Bühne zu treten, dachte mir jedoch, dass auch meine Profession hin und wieder eine glaubwürdige Darstellung von Gefühlen erforderte.
    Anja brachte mir bei, mich an einen Moment zu erinnern, in dem ich die gleichen Gefühle empfunden hatte wie die dargestellte Figur.
    Ich dachte daran, wie mein Vater mit seinem Secondhand-Army-Seesack aus der Tür ging. Ich erinnerte mich an seine letzte Umarmung und die Monate des Niedergangs meiner Mutter. Zuletzt dachte ich an einen Jungen in der Pubertät, der ohne vernünftigen Grund ganz allein in der Welt bestehen musste.
    Ich war nicht in einer Hütte im Wald. Ich wurde nichtvon Verbrechern verprügelt. Ich war ein Kind, dem die einzige Liebe geraubt worden war, die es je gekannt hatte.
    »Ich sag es Ihnen«, keuchte ich. »Hören Sie nur auf. Hören Sie auf.«
    »Wo ist das Mädchen?«, keuchte Shell, von der Anstrengung, auf mich einzuschlagen, ein wenig außer Atem. Ich war mir sicher, dass seine Fingerknöchel schmerzten.
    »Ich weiß nicht, wo sie ist, aber ich weiß, bei wem sie ist.«
    »Bei wem?«
    »Bei einem Typ namens Brennan. Ich hab ihm gesagt, ich ruf an, wenn es sicher ist.«
    »Wie lautet die Nummer?«
    Ich nannte sie ihm. »Aber wenn irgendjemand anderes als ich anruft, hängt er auf und haut ab.«
    Shell zog eine Waffe und richtete sie auf meine Stirn.
    »Binde ihn los, Leo«, sagte er.
    Mammut tat es.
    »Gib unserem Freund das Telefon«, fügte der brutale Manager hinzu.
    Ich versuchte, den Hörer
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