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Falscher Ort, falsche Zeit

Falscher Ort, falsche Zeit

Titel: Falscher Ort, falsche Zeit
Autoren: Walter Mosley
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meine Handfessel, als ich durch eine Reihe von Türen und zahllose Korridore zu einem Büro der Port Authority Police irgendwo in den Eingeweiden des Gebäudes geführt wurde.
    »Hallo, McGill«, sagte Bethann Bonilla.
    »Sind Sie Lieutenant Bonilla, Ma’am?«, fragte der weiße Junge.
    »Binden Sie ihn los und lassen Sie uns allein«, erwiderte sie.
    Die jungen Polizisten gehorchten, ohne Fragen zu stellen – und das verriet mir etwas.
    Der Raum war klein und stickig. Der ramponierte Eichenholzschreibtisch stand vermutlich schon so lange hier, wie es die Port Authority gab, der Boden war von zehntausenden Füßen abgetreten. Manch ein Handtaschenräuber und Taschendieb war hier vor dem Abtransport in die U -Haft oder zur Vernehmung festgehalten worden. Es war ein trauriger Zwischenstopp für Zuhälter, Nutten und Geistesgestörte.
    Ich fühlte mich sofort heimisch.
    »Wem oder was verdanke ich meine Freiheit?«, fragte ich und nahm gegenüber der Polizistin Platz.
    »Die Bank hat erklärt, dass man auf eine Anzeige verzichtet«, sagte sie. »Aber man hatte mich bereits benachrichtigt. Ich habe beschlossen, Sie hierher bringen zu lassen, weil das NYPD hier nicht ganz so fix an Ihnen rumzerren kann.«
    Sie lächelte.
    »Wer hätte Ihren Befürchtungen nach denn an mir rumzerren sollen?«
    »Kitteridge, Charbon«, sagte sie. »Außerdem gibt es noch einen Distriktstaatsanwalt namens Tinely, der offenbar ebenfalls sein Pfund Fleisch verlangt.«
    »Und was wollen Sie, Lieutenant?«
    Die gertenschlanke, knallharte Polizistin legte ihre kastanienbraunen Ellenbogen auf den altmodischen Schreibtisch, verschränkte die Finger, drückte die Ballen ihrer Daumen gegeneinander und betrachtete mich.
    »Das kommt darauf an, was Sie haben«, antwortete sie.
    »Wollen Sie einen Deal machen?«
    »Was brauchen Sie von mir?«
    »In der East Houston Street gibt es einen Zuhälter namens Gustav, der einen Lieutenant Saul Thinnes schmiert. Eins der Mädchen ist eine Freundin. Ich möchte, dass Gustav hochgenommen wird – und längere Zeit aus dem Verkehr gezogen.«
    »Und was kriege ich dafür?«
    »Haben Sie schon einen Namen für den Toten in Wanda Soas Wohnung?«
    Ihre Augen konnten ihre Erregung nicht verbergen.
    Ich nannte ihr Pressmans Namen und sein Alias und erzählte ihr, dass er ein Profikiller in Anstellung eines anderen Killers war, der allgemein nur als Patrick bekannt war.
    »Warum wollte jemand diese Soa töten?«, fragte sie.
    »Vielleicht ihre Drogen-Connections. Können Sie Gustav kaltstellen?«
    »Ja klar.«
    »Und wegen Thinnes machen Sie sich keine Sorgen?«
    »Wenn er korrupt ist, sollte er sich besser meinetwegen Sorgen machen.«
     
    Als ich um 19.06 Uhr ins Naked Ear kam, hatte wieder ein anderer Barkeeper Dienst, ein Weißer, Mitte dreißig, mit schmalen Schultern und einem Bäuchlein. Ich setzte mich ans Ende des Tresens und bestellte meine drei Cognacs. Der Barkeeper hieß Ely. Er wusste alles über Sport, und zwischen den Bestellungen führten wir eine lange Unterhaltung über Henry Arnold, den einzigen Boxer, der jemals Titelträger in drei verschiedenen Gewichtsklassen gleichzeitig war. Binnen eines Jahres hatte er diese Titel neunzehn Mal erfolgreich verteidigt.
    »Ich glaube, er war besser als Sugar Ray Robinson«, sagte Ely. »Pfund für Pfund.«
    »Ja«, sagte ich, »trotzdem ist es keine Mathematik.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Beim Gewichtheben gewinnt der Mann, der das schwerste Gewicht hebt. Aber beim Boxen ist es ab einem bestimmten Punkt reine Herzenssache.«
    »Hi«, sagte eine Frau.
    Ich drehte mich um, und da war Lucy.
    Ely klopfte mir auf den Unterarm und verzog sich.
    »Er hat mich angerufen«, sagte sie. »Ich habe allen Kollegen gesagt, sie sollen mich anrufen, wenn du reinkommst.«
    »Und was war neulich abends?«, fragte ich. »Ich war hier.«
    »Ich wollte sehen, ob du zwei Mal kommst.«
     
    »Ich hab keine Kondome mehr«, entschuldigte Lucy sich um ein Uhr nachts. »Ich hab nur eine Dreierpackung gekauft. Ich meine, ich könnte etwas anderes machen.«
    Ich zog ihr die Decke weg und küsste sie auf den Bauchnabel. Sie rollte kichernd außer Reichweite und fiel aus dem Bett. Wir lachten beide, und ich zog sie wieder hoch.
    Wir hatten vier Stunden in diesem Bett verbracht. Wenn ich jetzt ein Medikament gegen erektile Dysfunktion genommen hätte, wäre ich in der Notaufnahme gelandet.
    »Ich glaube, es liegt an dem ganzen Stress in meinem Leben«, sagte ich. »Und daran, dass sowohl
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