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Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 2 - Die Goetter von Amyrantha

Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 2 - Die Goetter von Amyrantha

Titel: Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 2 - Die Goetter von Amyrantha
Autoren: Jennifer Fallon
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Verbrennungen, und ohne eine Spur der tiefen Kratzer, die Chikita seinem Gesicht nur ein paar Stunden vorher verpasst hatte.
    Er sah auf und erblickte durch seine Tränen der Verzweiflung und Trauer die kleine Prinzessin, die mit weit aufgerissenen Augen im Eingang der Schmiede stand. Sie musste ihnen nachgelaufen sein.
    »Gezeiten, Declan!«, schrie sie. »Ihr seid ja ein Unsterblicher!«
     

EPILOG
     
     
    Er konnte die Rückkehr der Flut spüren. Sogar durch das Eis. Am Anfang war es nur ein schwaches Gefühl. Aber alles war schwach dieser Tage. Seine Fähigkeit, etwas zu fühlen, gar einen zusammenhängenden Gedanken zu fassen, war so schmerzhaft träge. Der bloße Akt, einen Satz zu bilden, scheiterte daran, dass die ersten Worte beim Formulieren der letzten schon wieder vergessen waren.
    Er lebte im Augenblick instinktiv. Und er war nicht sicher, ob das Leben war. Vielleicht. Wenn Leben das Vorhandensein von Bewusstsein bedeutete, war er am Leben.
    Da war ein Gedanke, den er bilden konnte. Der kürzeste aller Sätze.
    Ich bin.
    Jenseits dessen war er verloren. Es musste irgendwo eine Erklärung geben, vermutete er. Vernünftigerweise hatte seine Existenz nicht in diesem Zustand begonnen. Irgendwo in den gefrorenen Windungen seines Hirns waren die Gründe für seine Gefangenschaft abgelegt. Irgendwo dort musste auch begraben sein, wer für diesen Zustand verantwortlich war.
    Sollte er sie jemals finden - das hatte er in einem Prozess entschieden, für den er Jahrhunderte gebraucht hatte -, sollte er je aus dieser Gefrorenheit entrinnen können, würde er seine Zeit der Vergeltung dieser Gefälligkeit widmen.
    Es war ja nicht so, dass er keine Zeit hatte. Tatsächlich war Zeit alles, was er hatte.
    Unbeweglich in seinem Eisblock träumte er gelegentlich. Die Träume waren manchmal erfreulich, häufiger quälend. In ihnen war er eine Person, die sich wirklich und richtig anfühlte.
    Denn nicht selten war er in seinen Träumen Gott.
    Und die Flut stieg.
    Er hatte sie früher schon kommen gefühlt. Einige Male. Und dann hatte er gefühlt, wie sie wieder schwand. Jedes Mal, wenn sie ihren Höchststand erreichte, war er sich ihrer ein wenig bewusster. Ein wenig fähiger zu begreifen, dass es die Gezeiten waren. Und dann ahnte er, dass er frei sein könnte, wenn er nur in der Lage wäre, das alles vollständig zu erfassen.
    Er träumte häufiger, wenn die Flut stieg. Manchmal sah er Gesichter. Gesichter, die keine Namen hatten. Gesichter, deren Namen wichtig sein mussten, warum sonst sollte er von ihnen träumen?
    Manchmal hörte er auch Musik. Die Musik von berstendem Eis. Die Symphonie sich reibender tektonischer Platten. Er fühlte sie durch den Kern des Planeten, mehr als er sie hörte, als vibrierte die Musik in ihm zum Ausgleich für seine gefrorenen Ohren.
    Er hatte hier keine Vorstellung von Zeit. Er konnte sich nicht vorstellen, wie lange er schon in diesem Zustand war. Die Erinnerung daran, wie er hierhergekommen war, lag gefroren außerhalb seiner Reichweite.
    Aber die Musik hatte sich auf subtile Art verändert, seit die Flut wieder stieg. Da war eine andere Stimme, eine neue Frequenz in der Vibration, die von etwas Außerordentlichem kündete.
    Er versuchte zuzuhören, sich vorzubeugen, um besser zu hören. Aber jede Bewegung, die er machte, fand nur in der Imagination seiner vereisten Ganglien statt. Es war unmöglich zu entscheiden, ob dieses Phänomen etwas wirklich Neues war oder von seiner Einbildung erschaffen, um der permanenten Gleichförmigkeit entgegenzuwirken.
    Dies zu beantworten war zu schwer.
    Es hatte so lange gedauert, sich der Frage bewusst zu werden, dass er zum Zeitpunkt ihrer Formulierung schon nicht mehr wusste, was er mit der Antwort gewollt hatte.
    Er schlief. Und er träumte wieder, ein Gott zu sein.
    Und dann änderte sich der Lauf der Gezeiten, und er spürte es.
    Er spürte es.
    Die Flut schwoll an bis zum Ufer seines gefrorenen Bewusstseins. Sie wogte gegen das Eis, brandete an seinen vereisten Geist. Stückchenweise kehrte sein Bewusstsein zurück, und mit dem Bewusstsein kam der Schmerz.
    Er hatte immer gewusst, dass er gefroren war, aber bis jetzt hatte er die Bedeutung dieses Umstands nicht erkannt.
    Er erkannte sie jetzt.
    Er war gefroren. Schlimmer, ihm war knochentief kalt, und die Kälte sickerte durch jede Fiber seines Seins bis hinein in seine Seele. Das Eis um ihn krachte und splitterte, aber das war nicht die langsame Symphonie der Zeit, sondern scharf und
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