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Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 1 - Der unsterbliche Prinz

Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 1 - Der unsterbliche Prinz

Titel: Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 1 - Der unsterbliche Prinz
Autoren: Jennifer Fallon
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kommen. Nur jetzt noch nicht. Nicht in unserer Zeit.
     

ERSTER TEIL
     
     
    Ebbe
     
    Bei Ebbe geht das Wasser nicht weit zurück,
    und immer kommt es wieder.
    Sprichwort aus Cornwall

1
     
     
    Hoffnung war ein seltsames Gefühl, wenn man kurz vor seiner eigenen Hinrichtung stand. Aber nur so konnte Cayal diese fiebrige Unruhe bezeichnen, die ihn erfasste, als man ihn die Stufen zum Schafott hinaufführte.
    Bald ist es vorbei, so oder so, sagte er sich.
    Mit dem schwarzen Sack über dem Kopf konnte er nichts sehen, und das raue, scheuernde Sackleinen dämpfte auch seine übrigen Sinne. Vermutlich war die Vermummung eher dazu gedacht, den Zuschauern seinen Anblick zu ersparen, als ihm, dem Verurteilten, einen letzten Hauch von Privatsphäre zu gewähren. Der Sack über seinem Kopf dämpfte auch die Geräusche, sodass ihm die Welt draußen fern vorkam und seine Realität zusammenschrumpfte auf das, was er hören und fühlen konnte. Die grimmigen hohen Mauern waren verschwunden, ebenso der wolkenverhangene Himmel und der düstere Gefängnishof. Er konzentrierte sich auf die Empfindungen seiner Haut, das Gefühl der kalten Luft auf seinem nackten Oberkörper, den muffigen Leinensack über dem Kopf, der noch schwach nach früheren Hinrichtungen roch.
    Cayal atmete diese Gerüche ein und hoffte.
    Mit etwas Glück war diese Hoffnung das Letzte, was er in diesem Leben empfinden würde. Das Vergessen lockte, und Cayal hieß es mit offenen Armen willkommen.
    »Was zum …?« Eine dicke, schwere Schlinge wurde ihm um den Hals gelegt. Er wehrte sich – was hatten die da mit ihm vor? Sie hätten ihm doch befehlen sollen, niederzuknien und den Kopf auf den Richtblock zu legen …
    Cayal wand sich. Er wollte nicht gehängt werden! Ihn aufzuhängen brachte nichts. Es war völlig sinnlos. Und vermutlich sehr, sehr schmerzhaft …
    »Nein!« Jetzt schrie und zappelte er, aber man hatte ihm die Hände auf den Rücken zusammengebunden, er war ihnen völlig ausgeliefert. Der Henker überprüfte den Sitz des Knotens an seiner Kehle unter dem linken Ohr, der Stelle, die einen schnellen Genickbruch garantierte.
    »Noch was zu sagen?« Die barsche Stimme klang desinteressiert. Es war eine reine Formfrage, die letzten Wünsche eines Sterbenden interessierten hier niemanden.
    Im ersten Moment bezog Cayal die Frage gar nicht auf sich. Es dauerte einen Augenblick, bis ihm klar wurde, dass dies vermutlich seine letzte Chance war, Protest einzulegen.
    In einem Tonfall, der alles andere als reumütig war, wandte er sich in die Richtung, aus der die Stimme kam. »Was ist hier los? Ich sollte doch geköpft werden.«
    »Der Scharfrichter hat Urlaub«, informierte ihn die desinteressierte Stimme. »Los, Anklage verlesen.«
    Dieser Befehl war an eine andere Person gerichtet. Gleich darauf verkündete eine unsichere Stimme irgendwo links von ihm: »Kyle Lakesh, Bürger von Caelum. Du bist des siebenfachen heimtückischen Meuchelmordes angeklagt und für schuldig befunden …«
    Als könnte Mord auch nett und ehrlich sein, dachte Cayal. Arger stieg in ihm hoch. Der Scharfrichter hat Urlaub? Wollen die mich verarschen?
    »… verurteilt dich das Allerhöchste Gericht von Lebec im unabhängigen Staate Glaeba für dein Verbrechen zum Tode.«
    Cayal fluchte unter seinem Leinensack. Keiner hier würde die Ironie seiner Situation begreifen. Sieben Leute hatte er umgebracht, um hier zu landen. Sieben wertlose Menschen hatte er niedergemetzelt, nur um sicher dafür geköpft zu werden. Und jetzt ist der verdammte Scharfrichter im Urlaub! Halb belustigt fragte er sich, was das Allerhöchste Gericht des unabhängigen Staates Glaeba wohl zu den mehr als sieben Millionen Menschenleben gesagt hätte, die auf sein Konto gingen. Doch davon wussten sie hier nichts mehr.
    »Gibt es Nachricht, ob eine Begnadigung des Fürsten vorliegt?«
    Wieder so eine Formfrage, an den Adjutanten gerichtet. Eine Begnadigung in letzter Minute konnte nur der Fürst von Lebec persönlich aussprechen, was in den letzten fünfzig Jahren nur ein einziges Mal vorgekommen war. Das wusste Cayal sicher, denn er hatte es überprüft. Wenn jemand so darauf erpicht war, seinen Leiden ein Ende zu setzen, wie Cayal, dann machte er seine Hausaufgaben gründlich.
    Die Justiz hier in Glaeba war streng, aber überraschend gerecht, was ihm sehr gelegen kam. Wenn man es bewusst darauf anlegte, sich köpfen zu lassen, hatte es wenig Sinn, sich dafür ein Land auszusuchen, das Mördern gegenüber Milde
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