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Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 1 - Der unsterbliche Prinz

Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 1 - Der unsterbliche Prinz

Titel: Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 1 - Der unsterbliche Prinz
Autoren: Jennifer Fallon
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Der Kerkermeister musste dem Drang widerstehen, sich den Angstschweiß von der Stirn zu wischen.
    »Master Hawkes! Was für ein unerwartetes Vergnügen!«
    Der Erste Spion musterte ihn neugierig und schloss die Tür hinter sich. »Gestern habe ich Nachricht geschickt, dass ich nach Lebec komme, Kerkermeister. Habt Ihr die Botschaft nicht erhalten?«
    Declan Hawkes wirkte in Person noch bedrohlicher als sein Ruf. Er war fast einen Kopf größer als der Kerkermeister. Sein feuchtes Haar war dunkel wie seine Augen … Augen, denen nichts entging.
    »Doch, ja, natürlich …«
    Hawkes entledigte sich seines regennassen Umhangs aus Ölzeug und schüttelte die Regentropfen auf den Teppich, völlig unbekümmert über den Schaden, den er damit anrichtete. »Dann kommt meine Ankunft wohl kaum unerwartet, nicht wahr?«
    Der Kerkermeister wusste nicht, was er erwidern sollte. Hawkes, dieser Abschaum aus den Elendsvierteln von Lebec, stand da, wartete auf eine Antwort und schien es förmlich zu genießen, wie sich die unbehagliche Stille ausdehnte.
    Der Kerkermeister hielt es nicht aus. »Tja … wollt Ihr Euch nicht setzen, Master Hawkes?«
    »Ich danke Euch.«
    Aus Angst, dass seine Knie unter ihm nachgeben würden, sackte der Kerkermeister abrupt auf seinen Stuhl, während Hawkes seine lange Gestalt auf den gegenüberliegenden Besucherstuhl gleiten ließ. Der Schreibtisch war erstaunlich leer geräumt. Die halbe Nacht hatte der Kerkermeister damit zugebracht, um sicherzugehen, dass nicht ein einziger Zettel auf der abgewetzten ledernen Oberfläche das Augenmerk des Ersten Spions auf sich ziehen konnte.
    »Ich … ich nehme an, Ihr seid wegen dieser Hinrichtung gekommen?«
    »Ach. Und dabei geht in Herino das Gerücht um, Ihr wäret mit keinen besonderen Geistesgaben gesegnet«, gab Hawkes zurück.
    Die Augen des Kerkermeisters verengten sich. Er musste sich nun mal mit dem Ersten Spion des Königs abgeben, aber hier sitzen und sich von ihm beleidigen lassen musste er nicht. Also keine falschen Höflichkeiten mehr. »Was wollt Ihr, Hawkes? Ich bin ein viel beschäftigter Mann.«
    Hawkes’ dunkle Augen glitten über die leer gefegte Schreibtischplatte, dann lächelte er. »Das sehe ich. Warum habt Ihr versucht, ihn zu hängen?«
    »Wie bitte?«
    »Ihr habt versucht, diesen Gefangenen zu hängen. Ich hatte bislang den Eindruck, dass die in Lebec übliche Hinrichtung durch Abschlagen des Kopfes erfolgt.«
    »So ist es«, bestätigte der Kerkermeister. »Aber vor ein paar Wochen ist die Mutter meines Scharfrichters verstorben. Er ist zur Beerdigung nach Herino gefahren und hat dort noch Familienangelegenheiten zu regeln. Damit wir derweil nicht in Verzug geraten, habe ich entschieden, einstweilen ohne ihn weiterzuarbeiten. Da das Köpfen ein Handwerk ist, bei dem Erfahrung vonnöten ist, werden bis zu seiner Rückkehr die Verurteilten gehängt.«
    »Ich verstehe.«
    »Ich nehme an, Ihr wollt den Gefangenen verhören?«, erkundigte sich der Kerkermeister.
    »Später.«
    »Warum später? Mit Sicherheit wollt Ihr doch als Erstes in Erfahrung bringen, wie Lakesh dieses Kunststück gelungen ist?«
    »Erst wenn ich die Möglichkeit ausgeschlossen habe, dass es kein Kunststück war.«
    Der Kerkermeister lächelte den Ersten Spion mit aller Herablassung an, die er aufbringen konnte. »Wisst Ihr, Master Hawkes, nur weil Ihr in den Elendsvierteln unter den Crasii aufgewachsen seid, müsst Ihr nicht alles für bare Münze nehmen, was man Euch dort erzählt hat.«
    Declan Hawkes schien nicht einmal zu bemerken, dass der Kerkermeister ihn soeben beleidigt hatte. »Ich spreche von der Möglichkeit, dass dieser Caelaner einen Eurer Männer bestochen hat, um die Hinrichtung zu vereiteln – damit er die Chance auf einen zweiten Gerichtsprozess bekommt.«
    »Das ist unmöglich!«
    »Dass es zu einem zweiten Prozess kommt?«
    »Nein. Dass einer meiner Männer bestechlich ist, ist absolut auszuschließen.«
    »Ja, da habt Ihr sicher recht«, entgegnete Hawkes mit undurchdringlicher Miene. »Ich bin sicher, nur die ehrlichsten und charakterstärksten Männer schlagen eine Laufbahn als Henker und Gefängniswärter ein.«
    Der Kerkermeister wand sich unter dieser ironischen Anspielung des Ersten Spions. »Selbst wenn meine Männer bestechlich wären -von einem Caelaner würden sie sich niemals zu so etwas anstiften lassen.«
    »Ich verstehe, Ihr stellt also nur wahre Patrioten ein.«
    Jetzt wurde es dem Kerkermeister doch zu bunt. »Das muss ich mir
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