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Fallende Schatten

Titel: Fallende Schatten
Autoren: Gemma O'Connor
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war ich eindeutig lediglich das weibliche Anhängsel eines Mannes. Mir machte das nichts aus, ich war es zufrieden, daß sie mich nicht erkannt hatte.
    In dem riesigen, hohen Raum drängte sich die herausgeputzte Hautevolee Dublins. Schon in der Tür erkannte ich ein Dutzend Politiker, mehrere Journalisten und ein paar berühmte Schauspielerinnen. Wohl hundert Leute waren in dem Raum, und der Geräuschpegel war ohrenbetäubend. Als wir eintraten, reichte ein Ober jedem von uns ein Glas Champagner. Schnell trennten wir uns voneinander, wie wir es abgesprochen hatten. Daniel ließ sich von seiner Tante ins Gewühl ziehen, ich ging zum mittleren Fenster, an dem ich von der Straße aus meine Beute erspäht hatte.
    Erstaunlich, wie ein schwarzer Hut eine Frau verändern kann. Er verlieh mir offenbar eine geheimnisvolle Aura, die ich normalerweise nicht besitze. Aber vielleicht lag es auch daran, daß ich weder jemanden beeindrucken noch mich von der Gesellschaft beeindrucken lassen wollte, denn ich wußte, von denen würde ich keinen je wiedersehen. Zum ersten Mal seit dem Tod meiner Mutter fühlte ich mich unangreifbar und vollkommen beherrscht. Aber immer wieder rief ich mir ins Gedächtnis, warum ich hier war. Ich vermied es, meinen Namen zu erwähnen und wehrte Fragen, wer ich sei und was ich auf einer solchen Gesellschaft mache, so gewandt und elegant wie möglich ab.
    Des Murphy-Clarke hatte sich seit unserer Collegezeit kaum verändert. Er hatte zu der Clique gehört, mit der ich meistens zusammengesteckt hatte, obwohl ich ihm gegenüber immer auf der Hut gewesen war. Ich glaube, das waren wir alle; allgemein hatte man das Gefühl, es sei besser, ihn auf seiner Seite als gegen sich zu haben. Doch unterhaltsam war er immer gewesen. Nie habe ich einen Menschen mit einem so unerschöpflichen Vorrat an Skandal- und anzüglichen Geschichten kennengelernt wie ihn. Er war äußerst geschickt darin, anderen Leuten Geschichten aus der Nase zu ziehen, und diese Begabung hatte ihn zu einem der erfolgreichsten und gefürchtetsten Journalisten von Dublin gemacht.
    Mir gefiel nicht besonders, wie er jetzt aussah; der gebräunte Teint war zu gelblich, das Haar zu schwarz, und sein Bauchansatz versuchte verzweifelt, der Umklammerung durch seinen Hosenbund zu entkommen. Aber das machte nichts, er war ein richtiges Frettchen, sobald er einmal eine Geschichte gewittert hatte. Fast konnte ich sehen, wie seine Nasenflügel sich verengten, als er mich bemerkte.
    Gott segne ihn, er tat so, als kenne er mich nicht. Er zog seine lüsterne »Was ich alles für Überraschungen für dich auf Lager habe«-Nummer ab, als er sich von einem herzigen alten Senator in ein Gespräch mit mir verwickeln ließ. Ich bemerkte, wie Hanora hin und wieder zu uns herübersah, aber sie hielt sich fern. Ungefähr eine Stunde lang blieben wir am Fenster stehen und unterhielten uns mit vorbeiflanierenden Gästen. Als diese schließlich immer weniger wurden, sprachen nur mehr wir beide miteinander.
    »Kommst du oft zu diesen Festen?« fragte ich, nicht ganz beiläufig genug.
    »Oft genug, um dann auftauchen zu können, wenn es mir in den Kram paßt.« Er lachte. »Obwohl die Dame glaubt, ich komme nur, wenn es ihr paßt.«
    »Herrje«, meinte ich, »bist du nicht ein cleveres Bürschchen?«
    »Und bist du nicht ein tolles Weib?« Er grinste gierig. »Du hast dich nicht verändert. Außer daß du immer schöner wirst. Diese Aufmachung ist verdammt aufreizend, Mädchen. Aber schließlich hast du schon immer Stil gehabt.« Er schwieg und kam ein wenig näher. »Ist es soweit?«
    Ich nickte und steckte ihm so auffällig wie möglich einen Zettel zu. Dann näherte ich mein Gesicht seinem Ohr und erzählte ihm eine Geschichte.
     
    Daniel und ich waren die letzten. Wir folgten dem kleinen Senator die Treppe hinunter, wo Mrs. Hanrahan ihre Gäste verabschiedete. Sie bedeutete Daniel zu warten, und nachdem sie die Haustür geschlossen hatte, wandte sie sich uns mit einem strahlenden Lächeln zu. Mir jagte es entsetzliche Angst ein.
    »Bleib doch zum Abendessen, ja? Wir haben uns noch gar nicht richtig miteinander unterhalten, Daniel. Und du hast mir deine Freundin noch nicht vorgestellt.«
    »Meine Verlobte«, erklärte Daniel knapp. »Ich fürchte, wir können nicht bleiben. Eine andere Verabredung, Tante.«
    »Ihr gebt ein äußerst hübsches Paar ab«, meinte sie hoheitsvoll und streckte mir die Hand hin. Ich übersah sie.
    »Wir kennen uns bereits, Mrs. Hanrahan«,
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