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Fallen Angels 01 - Die Ankunft

Titel: Fallen Angels 01 - Die Ankunft
Autoren: J.R. Ward
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Boudreau hob den Blick zum Gitterfenster des Beichtstuhls. Das Gesicht des Priesters jenseits des Sichtschutzes war zur Seite gewandt und lag im Schatten, dennoch wusste sie, wer er war. Und er kannte sie.
    Daher wusste er auch nur zu gut, was sie tat und warum sie mindestens einmal pro Woche zur Beichte gehen musste.
    »Geh, mein Kind. Gehab dich wohl.«
    Als er die Klappe zwischen ihnen beiden schloss, überkam sie eine Panikattacke. In diesen stillen Momenten, wenn sie ihre Sünden offenlegte, wurde die entwürdigende Lage, in der sie gestrandet war, enthüllt; die Worte, die sie sprach, warfen ein helles Licht auf die entsetzlichen Dinge, die sie nachts tat.
    Die hässlichen Bilder brauchten immer eine Weile, um wieder zu verblassen. Doch das Gefühl des Erstickens würde sich noch verschlimmern, wenn sie von hier weg und zu ihrem nächsten Bestimmungsort fuhr.
    Sie ließ die Perlen und Glieder ihres Rosenkranzes in die Jackentasche gleiten und hob ihre Tasche vom Fußboden auf. Schritte rechts vor dem Beichtstuhl hielten sie vom Aufstehen ab. Da sie sich in ihrer Arbeit schon so entblößen musste, zog sie es an allen anderen Orten vor, unbemerkt zu bleiben.
    Zudem hatte sie noch weitere Gründe, sich unauffällig zu verhalten, von denen nicht alle mit ihrer »Arbeit« zu tun hatten.
    Als das Geräusch schwerer Ledersohlen wieder verklungen war, zog sie den roten Samtvorhang auf und trat hinaus.
    Die St.-Patrick’s-Kathedrale von Caldwell war nur etwa halb so groß wie die in Manhattan, aber es reichte dennoch aus, um Ehrfurcht selbst in weniger streng Gläubigen hervorzurufen. Mit ihren gotischen Bögen, die an Engelsflügel gemahnten, und einer hohen Decke, die nur Zentimeter vom Himmel entfernt schien, fühlte sich Marie-Terese zugleich unwürdig und dankbar, unter diesem Dach verweilen zu dürfen.
    Sie liebte den Geruch hier drinnen. Von Bienenwachs und Zitrone und Weihrauch. Herrlich.
    An den Altären der Heiligen vorbei wand sie ihren Weg immer wieder um das Gerüst herum, das errichtet worden war, um die Mosaiken des Fenstergadens zu reinigen. Wie immer beruhigten sie die flackernden Votivkerzen und die gedämpften Scheinwerfer, die auf die reglosen Statuen gerichtet waren, und erinnerten sie daran, dass am Ende des irdischen Lebens ein immerwährender Friede wartete.
    Vorausgesetzt, man kam an der Himmelspforte vorbei.
    Die Seitentüren der Kirche waren nach achtzehn Uhr geschlossen, und wie üblich musste sie durch den Haupteingang gehen - was ihr wie eine Vergeudung der Pracht des majestätischen Portals vorkam. Die geschnitzten Flügel der Tür waren weit besser geeignet, die Hunderte von Leuten willkommen zu heißen, die jeden Sonntag zur Messe kamen … oder die Gäste feierlicher Trauungen … oder die tugendhaften Gläubigen.
    Nein, sie war mehr der Typ Seiteneingang.
    Zumindest war sie das jetzt.
    Gerade, als sie ihr gesamtes Gewicht gegen das dicke Holz stemmte, hörte sie ein Flüstern ihres Namens und warf einen Blick zurück über die Schulter.
    Da war niemand, soweit sie erkennen konnte. Es waren nicht einmal mehr Betende in den Bankreihen zu sehen.
    »Hallo?«, rief sie laut, ihre Stimme hallte durch die Kirche. »Pater?«
    Als keine Antwort erklang, kroch ihr ein kalter Schauer über den Rücken, und mit einem raschen Stoß warf sie sich gegen den linken Türflügel und rannte in die kalte Aprilnacht hinaus.
    Den Kragen ihrer Wolljacke fest umklammernd, lief sie schnell weiter, ihre flachen Sohlen machten klack , klack , klack auf den Steinstufen und dem Bürgersteig, während sie zu ihrem Auto eilte. Sobald sie im Wagen saß, sperrte sie sämtliche Türen ab.
    Keuchend sah sie sich um. Schatten kräuselten sich unter kahlen Bäumen auf dem Boden, und der Mond kam hinter dünnen Wolkenfetzen zum Vorschein. In den Häusern gegenüber bewegten sich Menschen hinter den Fenstern. Ein Kombi fuhr langsam vorbei.
    Da war kein Verfolger, kein Mann in schwarzer Sturmhaube, kein lauernder Angreifer. Nichts.
    Sie riss sich zusammen, überredete ihren Toyota anzuspringen und umklammerte fest das Lenkrad.
    Nachdem sie in den Rückspiegel gesehen hatte, fädelte sie sich in den Verkehr Richtung Innenstadt ein. Das Licht der Straßenlaternen und der entgegenkommenden Autos blendete sie, flutete das Innere des Camrys und beleuchtete die schwarze Reisetasche auf dem Beifahrersitz. Darin befand sich ihre grauenhafte Uniform, und sobald sie einen Ausweg aus diesem Alptraum gefunden hätte, würde sie das
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