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Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 8 Exquisite Corpse

Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 8 Exquisite Corpse

Titel: Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 8 Exquisite Corpse
Autoren: Martin Clauß
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Gespräche, sogar vereinzeltes Lachen. Lautes, tadelndes Räuspern, vielleicht von Sir Darren.
    Melanie schlich durch den Flur. Sie war barfuß und trug eine silbergraue Jogginghose und ein T-Shirt in ähnlicher Farbe. Wie meistens hatte sie ihre orangeroten Haare zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden.
    Natürlich war die Sache riskant. Bei so vielen Bewohnern konnte sie nie mit Sicherheit sagen, ob nicht einer davon im nächsten Moment die Treppe heraufkam. Sie hatte sich vor fünf Minuten vergewissert, dass alle unten waren, aber das konnte sich jeden Augenblick ändern. Sie musste rasch agieren, ehe die schnellsten Esser ihre Mahlzeit beendeten.
    Melanie erreichte Margaretes Zimmer. Die Dozentin und Hexe pflegte ihre Tür nur abzuschließen, wenn sie besonderen Besuch hatte – männlichen Besuch, der über Nacht blieb. Das war früher öfter vorgekommen, doch in letzter Zeit schien es Margarete an Mut oder Gelegenheit zu fehlen, ihrem sinnlichen Lebensstil mit den häufig wechselnden Partnern zu frönen. Vermutlich fühlte sie sich beobachtet ... und kam allmählich in ein Alter, in dem sie dieses Gefühl nicht mehr so recht genießen konnte.
    Die Studentin drückte die Klinke herunter. Es beruhigte sie nicht, dass dies vollkommen lautlos vonstattenging. Sie sah sich um und konnte niemanden erkennen. Als sie ins Innere gehuscht war, schloss sie die Tür mit einem winzigen Klicken hinter sich.
    Sie befand sich nicht zum ersten Mal im Zimmer von Margarete Maus. Der Raum wirkte noch enger als die der anderen, denn niemand hatte so viele und unterschiedliche Dinge auf den lächerlichen zehn Quadratmetern untergebracht wie sie. Werner Hotten hatte lediglich ein paar Pflanzen herumstehen, und Sir Darren wohnte ausgesprochen spartanisch, denn – von einigen wertvollen Folianten abgesehen – hatte er seinen gesamten Bücherbesitz in die geräumige Bibliothek im Erdgeschoss ausgelagert, und außer Büchern gab es auf dieser Erde keine Objekte der Interesses für ihn.
    Margarete schlief nicht in einem Bett, sondern auf einer Matratze auf dem Boden. Von der Decke hingen an dicken Kordeln Gegenstände herab – magische Gegenstände. Melanie konnte über Funktion und Herkunft der Objekte nur Vermutungen anstellen. Einige von ihnen waren so bizarr und komplex in ihrer Form, dass sie sie wahrscheinlich nicht einmal hätte beschreiben können.
    Die Matratze lag in der Zimmermitte, und rings herum standen unterschiedliche Schränke und Kommoden an den Wänden. Einige der Schränke wiesen Glasvitrinen auf, und die Studentin konnte darin weitere seltsame Objekte erkennen.
    Wie sah ein Gegenstand aus, in den man einen Schutzengel gebannt hatte? Konnte es nicht jeder beliebige sein? Margarete hatte keines der Stücke aus ihrer Sammlung mit einer Beschriftung versehen. Sie kannte ihre Besitztümer.
    Melanie wusste, dass sie im Grunde auf ein Wunder hoffte, wenn sie darauf vertraute, das Gesuchte zu finden. Aber sie musste es dennoch versuchen. Das war sie Artur schuldig. Schließlich war sie es, die ihn in diese scheußliche Lage gebracht hatte.
    Unruhig sah sie sich um, starrte ins Innere der Vitrinen und versuchte sich zu konzentrieren. Sie durfte sich nicht von der oberflächlichen Fremdartigkeit dieser Gegenstände ablenken lassen. Die Wahrheit lag irgendwo im Inneren.
    Sie sah geschnitzte Tierfiguren. Manche davon wirkten afrikanisch, andere eher indianisch. Die meisten davon machten einen uralten Eindruck, waren verschmutzt und abgegriffen, glänzend vom Fett der Hände, die sie angefasst hatten. Melanie riss Schubladen und Schranktüren auf, fand stumpfe silberne Amulette und Münzen, kleine Dosen aus schwärzlichem Kupfer, geschnitzte Gemmen aus unterschiedlichen Halbedelsteinen. Einige der Objekte waren so reich mit winzigen, kaum wahrzunehmenden Symbolen bedeckt, dass ein Mensch Jahre gebraucht hätte, um die Zeichen alle zu entdecken – von der Entschlüsselung ihrer Bedeutung ganz zu schweigen. Auf einer dieser Dosen mochte in irgendeiner Symbolschrift ein wichtiger Hinweis stehen. Sie hatte keine Chance, ihn zu finden.
    Mit jeder Minute, die verstrich, wurde das flaue Gefühl in ihrem Magen stärker.
    Wenn sie unverschämtes Glück hatte, würde eine halbe Stunde vergehen, ehe die Bewohnerin dieses Zimmers zurückkehrte. Selbst dieser großzügige Zeitraum würde ihr zwischen den Fingern zerrinnen, als ob es nur Sekunden wären. Sie brauchte einen Anhaltspunkt. Und zwar schnell.
    Konnte sie vielleicht etwas fühlen,
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