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Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 8 Exquisite Corpse

Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 8 Exquisite Corpse

Titel: Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 8 Exquisite Corpse
Autoren: Martin Clauß
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verletzt werden konnte. Nicht in diesem Moment.
    Als die heiße, duftende Flüssigkeit über sein Gesicht und seinen Körper strömte, begann an seinem Leib die Regeneration. Überall schäumte und wucherte es, überall spross frisches Fleisch hervor.
    Er war gerettet. Er öffnete eine zweite und dritte Dose, nicht mehr mit den Zähnen, sondern mit den Händen. Diesmal verzichtete er darauf, sich den Kaffee über den Körper zu schütten. Stattdessen trank er die heiße, aromatische Brühe mit großen Schlucken. Seine Haut spannte sich noch einmal, während er das tat. Die letzte Dose aus dem Wasserbad und jene, die verbeult auf dem Boden lag, ließ er ungeöffnet – für später.
    Sein Gehirn begann zu denken. Und sich zu erinnern.
    Es gab einen Ort, den er aufsuchen wollte. Einen Ort, an dem es genügend von dem Zaubermittel gab, das ihn von den Toten erweckt hatte.
    Exquisit.
    Colm’s Kaffee Exquisit.
    Die Fabrik. Die Kaffeebrauerei Colm.
    Rheinstetten. Unweit von Karlsruhe.
    Wo war er hier?
    Die Frage, wer er war, stellte er sich nicht.
    Ihm fiel auf, dass er keine Kleidung trug. Er musste in den Röntgenraum zurückkehren und in die Kleider dieses Mannes schlüpfen.
    Diesmal bereitete ihm die Metalltür keine Schwierigkeiten.

5
    Abendessenszeit.
    Seit zehn Minuten befanden sich die Studenten und Dozenten im Erdgeschoss und speisten. Ekaterini hatte gefüllte Auberginen und eine monumentale Portion Tomatensalat mit Zwiebeln zubereitet. Sogar die sorgengeplagten Dozenten, die sich in den letzten Tagen schweigsam und abweisend gegeben hatten, ließen sich von Duft und Anblick der Speisen mit der Welt versöhnen. Die griechische Köchin war das Herz von Falkengrund, diejenige Person, die am meisten Licht und Wärme in das traurige Gemäuer brachte.
    Zwar gab sich Margarete Maus Mühe, für alle ein Lächeln und ein offenes Ohr zu haben und mit ihrer aufrichtigen, unkomplizierten Art die Harmonie im Haus zu erhalten. Doch wo sie versagte, war es an Ekaterini, die Gemüter aufzuhellen. Und Margarete versagte nicht selten. Ekaterinis Kochkünste dagegen schienen an der Finsternis des Hauses und an den Problemen, die seine Bewohner beschäftigten, zu wachsen.
    Melanie Kufleitner wusste immer weniger, was sie von ihrer Dozentin Margarete halten sollte.
    Margarete hatte sich nach ihrem schrecklichen Erlebnis rührend um sie gekümmert, hatte sie in den Arm genommen und getröstet wie eine ältere Schwester. Gleichzeitig aber war die Hexe Margarete es gewesen, die Artur Leik den Schutzengel gestohlen hatte. Vielleicht war dies der Anfang des Unglücks gewesen.
    Melanies Entschluss stand schon seit Tagen fest. Wenn es stimmte, dass Margarete das gebannte Wesen in ihrem Zimmer aufbewahrte, dann musste sie es finden, stehlen und Artur zurückgeben! Ganz gleich, ob Margarete in guter Absicht gehandelt hatte – einem Menschen den Schutzengel wegzunehmen, konnte unmöglich die richtige Entscheidung sein. Es war der wichtigste Besitz, den ein Mensch hatte. Selbst wenn er all sein Geld, seine Freunde und sogar seine Gesundheit verlor, musste ihm doch noch sein schützender Geist bleiben.
    Das war Melanies Einstellung. Auch wenn ihr optimistisches Weltbild und ihr Glaube an das Gute durch den Tod des kleinen Mädchens Anna, an dem sie auf komplizierte Weise eine Art Mitschuld trug, stark ins Wanken gekommen waren – sie war nicht bereit, alle Hoffnung aufzugeben.
    Artur befand sich in Haft, stand unter Mordverdacht und war allein. Das Gesetz würde gewährleisten, dass ihm ein Verteidiger zur Seite gestellt wurde. Doch der Verteidiger war nur ein Mensch. Und er kannte weder seinen Mandanten noch die wahren Hintergründe dessen, was vorgefallen war. Das Wesen, das Artur wirklich verteidigen konnte, war in Margaretes Gewalt.
    Melanie musste das ändern. Wenn sie in den letzten Tagen noch gezögert hatte, ihren Entschluss in die Tat umzusetzen, dann nur, weil sie den Mut dazu nicht gehabt hatte. Heute musste sie handeln. Sonst würde es bald schon zu spät sein.
    Sie hatte sich vom Essen abgemeldet. Sie fühle sich nicht wohl, behauptete sie. Niemand wunderte sich darüber. Melanie hatte sich tagelang in ihrem Zimmer verkrochen, hatte kaum mit den anderen geredet und mehrmals eine Mahlzeit ausgelassen.
    Vorsichtig öffnete sie ihre Zimmertür und spähte in den Korridor hinaus. Niemand war zu sehen. Die einzigen Geräusche kamen zusammen mit dem köstlichen Geruch über das Treppenhaus von unten. Das Klappern von Geschirr.
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