Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Falkengrund Nr. 31

Falkengrund Nr. 31

Titel: Falkengrund Nr. 31
Autoren: Martin Clauß
Vom Netzwerk:
Motor.

9
    Nach dem Gespräch mit Sir Darren hatte sich Werner vorgenommen, Falkengrund noch einmal aufzusuchen, mit enorm großem Sicherheitsabstand natürlich. Doch jeden Tag verschob er es, und irgendwann begann er sich damit abzufinden, dass er es nie tun würde.
    In der Vorweihnachtszeit, rund vier Wochen nach ihrem gemeinsamen Besuch bei Edeltraud Zeiss, klingelte in den Abendstunden sein Telefon. Werner war mehr als überrascht, Sir Darrens Stimme zu hören.
    „Besuchen Sie mich“, sagte der Brite, so knapp wie immer. Die Verbindung war sehr schlecht – in der Leitung knackte und rauschte es.
    „Wo sind Sie gerade?“, wollte Werner wissen.
    „In einer ***twohnung in W***ach. Kellerweg 19.“ Das Knacken überdeckte Teile einzelner Wörter.
    „In Wolfach? Ich dachte, Sie wären nach Frankfurt zurückgefahren.“
    „Genau das s*** Sie auch denken.“
    „Sie waren die ganze Zeit über hier?“
    „Ich habe m*** ***cht bis zwölf Stunden täglich oben in d*** ***ähe des Schlosses herumgeschl***n. Und dort eine interessante ***kanntschaft geknüpft. Ich würde sie Ihnen g*** einmal vorstellen.“
    Werner blieb die Spucke weg. Entgeistert lauschte er in das Rauschen hinein. „Wann … wann soll ich …“
    „Wie wäre es mit ***zt gleich?“
    Die Uhr zeigte kurz nach zwanzig Uhr. Es zwar schon seit Stunden dunkel. „Gut, ich komme.“
    Bevor sein Gesprächspartner die Verbindung unterbrach, war es ihm, als mische sich die Stimme einer Frau in die Leitung, verzerrt und unnatürlich, wie eine Maschinenstimme. Was sie sagte, konnte er nicht verstehen.
    Eine interessante Bekanntschaft.
    Waren es nicht allmählich genug der kryptischen Andeutungen?
    Nein, ganz im Gegenteil: Er konnte nicht genug davon bekommen. Sein Leben war noch nie so spannend gewesen.

10
    Das Haus, das Sir Darren genannt hatte, lag völlig im Dunkeln, und Werner fragte sich, ob er sich nicht verhört hatte. Eine so schlechte Telefonverbindung hatte er schon seit Jahren nicht mehr erlebt. War Sir Darren spontan ausgegangen? Ihr Telefonat lag keine halbe Stunde zurück.
    Im Schein einer weit entfernten Straßenlaterne studierte er die fünf Namen auf der Klingelleiste, fand „Edgar“ nicht darunter und drückte ratlos den untersten Knopf, dessen Namensschild leer war. Wenige Sekunden später öffnete ihm Sir Darren. Er betätigte nicht den Türöffner, sondern kam persönlich an die Haustür und führte seinen Gast gruß- und kommentarlos durch den dunklen Flur, sechs knarzende Holzstufen nach oben und in seine Wohnung, die im Hochparterre lag. Das alles hatte etwas von einer geheimen Verschwörung an sich. Von einer kleinen weißen Kerze abgesehen, brannte in der Diele kein Licht, und auch die dahinterliegenden Zimmer lagen im Dunkeln.
    „Haben Sie Ihre Stromrechnung nicht bezahlt?“, versuchte es Werner mit Humor, obgleich er schon im Voraus wusste, dass so etwas bei seinem Gegenüber nicht ankommen würde.
    „Licht würde sie nur erschrecken“, erwiderte Sir Darren gedämpft. „Gehen Sie behutsam mit ihr um. Stellen Sie sie sich vor wie ein scheues Tier, einen Vogel vielleicht. Sie beehrt mich schon seit zwei Stunden, der längste Zeitraum bisher.“
    „Wer ist ‚sie‘?“
    „Ich denke, sie wird sich Ihnen selbst vorstellen. Hier links, das Esszimmer. Dort sitzt sie.“ Werner ließ sich von Sir Darren in den Raum schieben.
    Im ersten Moment sah er überhaupt nichts. Nach einigen Sekunden schälte sich ein ovaler Holztisch aus der Finsternis, vermutlich antik, dazu drei passende Stühle mit reich verzierten Lehnen. Die Möbel sahen unbequem aus, das Zimmer war klein und fensterlos.
    Neben ihm machte es „Fschhhhh!“, ein Streichholz flammte auf. Sir Darren drückte sich an ihm vorbei und entzündete eine dunkelblaue Kerze, die mitten auf dem Tisch bereitstand. Als der Brite das Streichholz durch Schütteln löschte, gebar sich die Flamme störrisch, schien nicht ausgehen zu wollen, und Werner hatte den befremdenden Eindruck, auf dem hintersten Stuhl zeichne sich eine Gestalt ab. Kaum war die Streichholzflamme verlöscht, verschwanden die Konturen, und das, obwohl die Kerze unverändert weiterbrannte.
    „Die Person, die ich treffen sollte, ist wohl schon weg“, mutmaßte Werner.
    Sir Darren ging nicht darauf ein. „Nehmen Sie auf dem linken Stuhl Platz, nein, nicht da, ‚links‘ habe ich gesagt!“
    „Okay.“ Werner holte tief Luft, als wäre er ein Taucher, der unter Wasser abtauchte. Er setzte sich, legte die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher