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Fahr zur Hölle

Fahr zur Hölle

Titel: Fahr zur Hölle
Autoren: Kathy Reichs
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und schwül mit weiteren Unwettern am Nachmittag.
    Mir konnte es egal sein. Ich würde den ganzen Tag im Institut verbringen.
    Nach einem schnellen Frühstück aus Müsli und Joghurt fuhr ich Richtung downtown. Oder uptown, wie die Charlotter sagen.
    Das Institut des Medical Examiner für das Mecklenburg County belegt eine Seite eines nichtssagenden Backsteinkastens, der seine frühen Jahre als Sears Garden Center zugebracht hat. Die andere Seite des Kastens beherbergt ausgelagerte Büros des Mecklenburg County Police Department. Ohne jeden architektonischen Charme bis auf die leicht abgerundeten Kanten steht der Kasten an der Ecke College und Tenth, knapp außerhalb des schicken Teils der Innenstadt. Obwohl es Pläne gibt, das Gelände neu zu bebauen und das Institut zu verlegen, ist mit dem MCME bis jetzt noch nichts passiert.
    Für mich ist das okay. Der Kasten ist nur zehn Minuten von meinem Stadthaus entfernt.
    Um 8 Uhr 05 fuhr ich auf den schmalen Streifen Parkplatz vor dem MCME-Eingang, nahm meine Handtasche und ging auf die Glasdoppeltür zu. Auf der anderen Seite der College saßen oder lehnten etwa ein halbes Dutzend Männer an einer Mauer, die ein leeres Grundstück begrenzte. Alle trugen jenes Sammelsurium zerschlissener Kleider, das die Uniform der Obdachlosen ist.
    Hinter ihnen schob eine schwarze Frau einen Kinderwagen über den Bürgersteig auf das County-Sozialzentrum zu und kämpfte dabei mit dem unebenen Pflaster.
    Die Frau blieb stehen, um ihr Stretchtop hochzuziehen. Ihr Blick wanderte in meine Richtung. Ich winkte. Sie winkte nicht zurück.
    Ich betrat die Vorhalle und klopfte an eine Scheibe über einer Empfangstheke links von mir. Eine pummelige Frau drehte sich auf ihrem Stuhl und schaute durchs Glas. Ihre Bluse war frisch gebügelt, ihre Dauerwelle saß starr auf ihrem Kopf.
    Eunice Flowers arbeitet seit Mitte der Achtziger für das MCME, als es aus dem Keller des Law Enforcement Building in seine jetzige Behausung zog. Von Montag bis Freitag kontrolliert sie Besucher, lässt manche eintreten und weist andere ab. Außerdem tippt sie Berichte, organisiert Dokumente und hält sich über alle Informationsschnipsel, die sich aus der Untersuchung der Toten ergeben, auf dem Laufenden.
    Mrs Flowers lächelte mich an und drückte auf den Knopf, um mich einzulassen.
    »Gestern hatten Sie aber ganz schön zu tun.«
    »Ziemlich, ja«, sagte ich. »Ist sonst schon jemand da?«
    »Dr. Larabee wird gleich hier sein. Dr. Siu hält eine Vorlesung an der Uni. Dr. Hartigan ist in Chapel Hill.«
    »Joe?«
    »Unterwegs, um eine arme Seele aus einem Müllcontainer zu ziehen. Der Gute. Viel Glück für ihn. Wird wieder ziemlich heiß werden heute.« Mrs Flowers’ Vokale hätten ihr eine Rolle in Vom Winde verweht einbringen können.
    »Gibt’s Medieninteresse an der Leiche von der Deponie?«
    »Hat’s in den Observer geschafft. Lokalteil. Ich hatte bereits ein halbes Dutzend Anrufe.«
    Mrs Flowers’ Ordentlichkeit richtet sich nicht nur auf ihre Person, sondern auf alles in ihrer Umgebung. Die Post-it-Zettel an ihrem Arbeitsplatz kleben in regelmäßigen Abständen, Papierstapel sind präzise aufeinandergestapelt, Stifte, Hefter und Scheren werden verstaut, wenn sie nicht benötigt werden. Ich bin unfähig zu dieser Art von Ordnung. Obwohl es gar nicht nötig war, rückte sie ein Foto ihres Cockerspaniels gerade.
    »Haben Sie die Zeitung noch?«
    »Ich hätte sie aber gern zurück, bitte.« Sie gab mir ein sauber zusammengefaltetes Exemplar. »Für die Belk -Anzeige gibt es zwanzig Prozent auf Bettwäsche.«
    »Natürlich.«
    »Die Gutachtenanfragen liegen auf Ihrem Schreibtisch. Ich glaube, Joe hat alles in den Stinker gebracht, bevor er ging.«
    Das Institut hat zwei Autopsiesäle, jeder mit nur einem Tisch. Der kleine hat ein spezielles Lüftungssystem gegen üble Gerüche, deshalb heißt er Stinker.
    Für Verweste und Wasserleichen. Meine Fälle eben.
    Gute Entscheidung, Hawkins. Die Knochen aus der Sandgrube waren wahrscheinlich relativ aromafrei, bei dem Opfer von der Deponie konnte man das jedoch nicht wissen. Und ich wusste noch nicht so recht, wie ich die Überreste aus dem Asphalt holen sollte. Abhängig von ihrem Zustand, konnte das eine ziemliche Drecksarbeit werden.
    Ich ging an den Bürokabinen vorbei, die von den Todesermittlern benutzt wurden, und schaute auf die Informationstafel an der Rückwand. Fünf Neuankünfte waren mit schwarzem Magic Marker eingetragen. Ein Neugeborenes, das man tot
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