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Fahr zur Hölle Mister B.

Fahr zur Hölle Mister B.

Titel: Fahr zur Hölle Mister B.
Autoren: Clive Barker
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natürlich mir die Schuld an unserem gegenwärtigen Dilemma.
    »Du bist eine Verschwendung meines Samens, du hirnloser Schwachkopf, du Missgeburt, du Trottel, du stinkendes kleines Spatzenhirn. Ich hätte dich schon vor Jahren erwürgen sollen, du verfluchter Krüppel! Wenn ich an meine Machete rankäme, würde ich dich hier und jetzt in Stücke hacken, das schwöre ich dir.«
    Er zappelte die ganze Zeit, während er mich beschimpfte, und versuchte, in dem Netz hinter sich zu greifen, wo er, wie ich vermutete, seine Machete hatte. Doch er steckte so in dem Netz fest, dass es ihm nicht gelang. Er war gefangen.
    Ich dagegen nicht. Und ich hatte immer noch das Messer aus der Küche. Kein besonders großes Messer, aber mit gezackter Klinge und darum doppelt nützlich. Es würde genügen.
    Ich streckte den Arm aus und sägte an dem Seil mit dem Netz von Pappy G. Ich wusste, ich musste schnell handeln. Wir hatten bereits den Sechsten Kreis passiert und stiegen durch den Fünften empor. Jetzt schenkte ich der landschaftlichen Beschaffenheit keine Beachtung mehr. Ich zählte im Geiste nur noch die Kreise. Ansonsten konzentrierte ich mich ganz auf das Seil.
    Natürlich wurde der Schwall der Verwünschungen, die Pappy G. von sich gab, immer obszöner, je mehr Wirkung mein kleines Messer an dem Seil zeigte. Mittlerweile passierten wir den Vierten Kreis, aber ich kann Ihnen darüber beim besten Willen nichts erzählen. Ich sägte buchstäblich um mein Leben. Wenn ich das Seil nicht durchschnitt, bevor wir unser Ziel erreichten, bei dem es sich vermutlich um die Oberwelt handelte, und Gatmuss sich aus dem Netz befreite, dann würde er mich wohl auch ohne Machete oder Gewehr massakrieren. Er würde mich mit bloßen Händen einfach in Stücke reißen. Ich hatte mit angesehen, wie er das mit anderen Dämonen machte, die wesentlich größer waren als ich.
    Ich kann Ihnen versichern, es war mir ein enormer Ansporn, die Drohungen und Beleidigungen meines Vaters zu hören, die in zunehmendem Maße unverständlicher wurden, je mehr er sich in seine Wut hineinsteigerte, bis er nur noch sinnlose Laute puren Hasses von sich gab. Hin und wieder betrachtete ich sein Gesicht, das sich gegen die Stränge des Netzes presste. Er hatte mir das feiste Schweineantlitz zugewandt und starrte mich unverwandt an.
    Mordlust stand in diesen Augen. Natürlich spielte er in seinem kümmerlichen Gehirn, das kaum größer als ein Hoden gewesen sein dürfte, die schlimmsten Todesarten für mich durch. Als er sich einbildete, er hätte jetzt meine uneingeschränkte Aufmerksamkeit, ließ er von seinen Verwünschungen ab und versuchte es mit absurden Schmeicheleien, als hätte ich nicht die ganze Zeit seine wüsten Flüche gehört.
    »Ich liebe dich, Sohn.«
    Da musste ich lachen. In meinem ganzen Leben hatte ich noch nie etwas als so komisch empfunden. Doch es sollte noch besser kommen; seine Idiotie war höchst amüsant.
    »Klar, wir sind verschieden. Ich bin gemein, du bist ein kleiner Bursche und ich –«
    »Nicht?«, half ich ihm aus.
    Er grinste. Wir verstanden einander eindeutig. »Stimmt. Nicht. Und wenn du es bist, ich aber nicht, mein Sohn, dann ist es nicht recht, dass ich dich Tag und Nacht verprügle, oder?«
    Ich dachte mir, dass ich den Dämonenadvokaten spiele und ihn damit verwirre.
    »Bist du sicher?«, fragte ich.
    Da wurde sein Grinsen ein wenig breiter, infizierte Panik seine winzigen, glänzenden Augen. »Sollte ich nicht?«
    »Frag nicht mich. Ich bin nicht derjenige, der mir erzählt, was seiner Meinung nach –«
    »Aha!«, sagte er und unterbrach mich, damit ihm der Gedanke, der ihm plötzlich gekommen war, nicht wieder entfiel. »Das ist es! Ist es nicht richtig?«
    »Ist es richtig?«, fragte ich und sägte munter weiter, während das Gespräch seinen Lauf nahm.
    »Das hier«, sagte Pappy G., »ist nicht richtig. Ein Sohn sollte seinen eigenen Vater nicht ermorden.«
    »Warum nicht, wenn der Vater versucht, den Sohn zu ermorden?«
    »Nicht ermorden, Junge. Ermorden? Niemals. Vielleicht ein wenig verhauen. Aber ermorden? Nein, niemals. Niemals.«
    »Tja, Pappy, dann bist du ein besserer Vater als ich ein Sohn. Denn nichts wird mich daran hindern, dieses Seil durchzuschneiden, und es ist ein tiefer Sturz von hier oben. Wenn du Glück hast, wirst du zu Brei zerquetscht.«
    »Wenn ich Glück habe?«
    »Ja. Ich möchte nicht, dass du mit gebrochenem Rücken, aber noch lebendig da unten im Abfall liegst. Nicht bei den vielen hungrigen
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