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Fahr zur Hölle Mister B.

Fahr zur Hölle Mister B.

Titel: Fahr zur Hölle Mister B.
Autoren: Clive Barker
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Prügel unterwerfen konnte – lebten unbehelligt in dieser von Parasiten verpesteten Wüstenei.
    Die Quelle all dieser Parasiten war ein Labyrinth von Kloaken hinter unserem Haus. Als Gegenleistung dafür, dass wir in diesem Haus wohnen durften, das sich in einem Zustand nahezu vollständigen Verfalls befand, trug Pappy G. die Verantwortung für die Müllhalden und durfte alle Seelen bestrafen, die es seines Erachtens verdienten. Natürlich gefiel es Pappy G. außerordentlich, dass er rücksichtslos grausam sein durfte. Jede Nacht zog er mit einem Gewehr und einer Machete bewaffnet los, um im Namen des Gesetzes Leute zu verstümmeln. Eben diese Machete, dieses Gewehr trug er jetzt bei sich, auf dem Weg zu mir. Ich hegte nicht den geringsten Zweifel, dass er mich tötete, wenn er mich in die Finger bekam (die Frage war nur, wann ). Ich wusste, ich hatte keine Chance, ihm auf der Straße zu entkommen, daher sah ich nur eine Möglichkeit, mich in Sicherheit zu bringen, indem ich zum Fenster hinaussprang (in meinem momentanen Schockzustand verspürte mein Körper seltsamerweise so gut wie keine Schmerzen) und zu den steilen Müllhalden flüchtete, wo ich mich in den endlosen Schluchten zwischen dem Abfall verstecken konnte.
    Pappy G. schoss aus dem Fenster, durch das ich geflüchtet war, als ich gerade einen Abfallberg erklomm. Als ich oben ankam, schoss er erneut. Beide Kugeln verfehlten mich, aber nur um Haaresbreite. Sollte ihm der Sprung aus dem Fenster ebenfalls gelingen und er die Entfernung zwischen uns verringern, würde er mir, das wusste ich, in den Rücken schießen, ohne auch nur einen Gedanken an diese Untat zu verschwenden. Und als ich die andere Seite der Halde stinkenden Unrats hinunterstolperte und rollte, entschied ich mich, vor die Wahl gestellt, hier draußen von Pappy G. niedergeschossen zu sterben oder wieder nach Hause zu müssen, wo ich verprügelt und verspottet werden würde, für Ersteres.
    Allerdings waren diese Gedanken an den Tod etwas verfrüht. Obwohl mein verbrannter Körper den Schockzustand langsam überwand und ich die Schmerzen spürte, gelang es mir, mich einigermaßen behände über die Haufen faulender Lebensmittel und ausrangierter Möbel zu bewegen, wohingegen Pappy G.’s schiere Größe und sein schweres Gewicht die Müllhalden für ihn wesentlich gefährlicher machten. Zwei-oder dreimal verlor ich ihn aus den Augen und wagte fast zu hoffen, ich hätte ihn abgeschüttelt. Aber Pappy G. besaß die Instinkte eines Jägers. Er folgte mir unerbittlich durch das Chaos einen Hang hinauf, den nächsten hinunter, und je weiter ich mich vom Haus entfernte, desto tiefer wurden die Schluchten, desto höher die Halden.
    Und ich wurde langsamer. Die Anstrengung der Kletterpartien forderten ihren Tribut, der Abfall rutschte unter meinen Füßen weg, während ich versuchte, die zunehmend steileren Hänge zu erklimmen.
    Ich wusste, jetzt war es nur noch eine Frage der Zeit, bis das Ende kam. Daher beschloss ich, einfach stehen zu bleiben, sobald ich den Gipfel dieses Abfallberges erreicht hatte, damit Pappy G. freies Schussfeld auf mich hatte. Ich stand unmittelbar vor dem völligen körperlichen Zusammenbruch – meine Wadenmuskeln verkrampften sich so schmerzhaft, dass ich schreien musste, meine Hände und Arme wiesen blutende Schnittwunden von den Glasscherben und Konservendosen auf, an denen ich Halt gesucht hatte.
    Ich hatte mich entschieden. Auf dieser Anhöhe sollte meine Flucht enden und ich auf die Kugel warten, Gatmuss den Rücken zugewandt, damit er mir die Verzweiflung nicht ansah und sich daran erfreute. Kaum hatte ich diese Entscheidung getroffen, fühlte ich mich seltsam erleichtert und kletterte mühelos zu der Stelle, wo ich sterben wollte.
    Jetzt musste ich nur noch …
    Halt! Was hing da in der Schlucht zwischen dieser Müllhalde und der nächsten in der Luft? Für meine müden Augen sah es aus wie zwei herrliche rohe Fleischstücke, und – konnte ich meinen Augen trauen? – eine Dose Bier zu jedem Stück Fleisch.
    Ich hatte Geschichten von Leuten gehört, die sich in der Wüste verirrten und erblickten, was sie sich in diesem Augenblick am meisten wünschten: einen funkelnden Teich kristallklaren Wassers, höchstwahrscheinlich von Dattelpalmen voller Früchte umgeben. Diese Trugbilder sind das erste Anzeichen dafür, dass der Wanderer den Kontakt zur Realität verliert, wie ich wohl wusste, denn je schneller er sich dieser Phantomoase mit ihrer schattigen Laube aus
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