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F (German Edition)

F (German Edition)

Titel: F (German Edition)
Autoren: Daniel Kehlmann
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davor wiederum anderes, aber ich hatte nicht viel Glück.»
    «Schwer zu glauben», sagte Arthur.
    «Ich habe Säle gefüllt.»
    «Große?»
    «Die größten.»
    «Was ist passiert?»
    Der Wahrsager blickte auf.
    «Was ist passiert?», wiederholte Arthur.
    Der Wahrsager blinzelte und hielt sich die Hand vor die Stirn. «Nichts», sagte er dann. «Schlechte Zeiten sind passiert. Pech ist passiert. Die Jahre sind vergangen, das ist passiert. Man ist nicht mehr der Alte.»
    «Und doch ist man es jetzt erst», sagte Arthur.
    «Was ist man jetzt erst?»
    «Der Alte.»
    «Wie meinen Sie?»
    «Nur ein Scherz.»
    «Wieso?»
    Arthur schwieg, Marie blickte auf die Karten in ihren Händen und wartete. Der Wahrsager saß reglos.
    «Wir haben nicht so viel Zeit», sagte Arthur dann.
    Der Wahrsager nickte, tastete nach dem Geld, fand es, steckte es ein, kramte in seiner Tasche und legte umständlich drei Münzen Wechselgeld auf den Tisch. «Nehmen Sie Karten», sagte er zu Marie. «Aus der Mitte, von oben, von unten. Wie Sie mögen. Machen Sie die Augen zu. Horchen Sie nach innen.»
    «Zwölf?», fragte Marie.
    «Legen Sie sie hierhin. Eine neben die andere, hier auf den Tisch.»
    «Zwölf soll ich nehmen?»
    «Hierhin. Eine neben die andere.»
    Sie warf Arthur wieder einen fragenden Blick zu, aber der starrte mit merkwürdigem Ausdruck den Wahrsager an. Wie sollte sie die Karten aussuchen? Sie konnte jede einzeln ziehen, oder sie konnte zwölf aufeinanderliegende aus der Mitte nehmen. Unschlüssig drehte sie das Paket.
    «Ganz egal», sagte Arthur.
    «Wie bitte?», fragte der Wahrsager.
    «Wenn es funktioniert, funktioniert es, egal, wie du die Karten aussuchst», sagte Arthur. «Wenn es nicht funktioniert, ist es erst recht egal.»
    «Ihre Zukunft», sagte der Wahrsager. «Ihr Schicksal. Hier auf den Tisch, bitte.»
    Marie zog eine Karte aus der Mitte und legte sie verdeckt hin. Dann noch eine, dann noch eine. Dann, von verschiedenen Stellen des Stapels, neun weitere. Sie wartete, aber der Wahrsager rührte sich nicht.
    «Fertig», sagte sie.
    Der Wahrsager blinzelte in ihre Richtung. Sein Mund stand offen. Er holte ein grünes Seidentuch aus der Brusttasche und tupfte sich die Stirn ab.
    «Fertig!», sagte sie noch einmal.
    Er nickte, dann zählte er, indem er jede Karte kurz mit dem Finger berührte. «Zwölf», sagte er leise, halb zu ihr und halb zu sich selbst, rückte an seiner Brille und schob die Karten zu einem Halbkreis zurecht.
    «Was immer es kostet», sagte Arthur. «Man muss sich nur bemühen. Was immer es kostet.»
    «Wie bitte?», fragte der Wahrsager.
    Arthur antwortete nicht.
    Der Wahrsager begann, die Karten umzudrehen. Etwas Erschreckendes ging von den Bildern aus, sie kamen Marie hässlich vor, urtümlich und brutal. Von Gewalt schienen sie zu künden, von einer Welt, in der kein Mensch freundlich zu einem anderen war, in der einem alles zustoßen konnte und in der man besser niemandem glaubte. Eine Figur war in einem springenden Tanzschritt begriffen, auf einer anderen Karte war ein gelber Kreis, umgeben von Wolken. Der Wahrsager beugte sich vor, die Stirn ganz nahe über dem Tisch, man konnte deutlich seine Glatze sehen. Er nahm die Lupe und betrachtete eine Karte nach der anderen.
    «Die Drei der Schwerter. Auf dem Kopf stehend.»
    «Das sind nicht drei», sagte Arthur.
    Der Wahrsager hob den Kopf. Seine Augen schimmerten winzig hinter den Gläsern.
    «Zählen Sie noch einmal!», sagte Arthur.
    Es waren fünf Schwerter, Marie konnte es auf einen Blick erkennen. Der Zeigefinger des Wahrsagers bewegte sich von einem Schwert zum nächsten, aber seine Hand zitterte, und die Schwerter waren so schmal, dass er sie immer wieder verfehlte.
    «Sieben», sagte er. «Auf dem Kopf stehend.»
    «Das sind nicht sieben», sagte Marie.
    Der Wahrsager blickte auf.
    «Fünf!», rief sie.
    «Fünf Schwerter», sagte der Wahrsager und legte den Finger auf die nächste Karte. «Fünf Schwerter, auf dem Kopf stehend, neben der Sonne und den Liebenden.»
    «Das ist der Mond!», sagte Arthur.
    Der Wahrsager nahm seine Brille ab und wischte sich mit dem grünen Tuch übers Gesicht.
    «Sonne und Mond stehen doch im Gegensatz», sagte Arthur.
    «Was für ein Satz?», fragte der Wahrsager.
    «Beim Tarot, meine ich. Die stehen im Gegensatz, hat man mir gesagt. Ich kenne mich ja nicht aus. Haben Sie kein Hörgerät?»
    «Das pfeift immer. Dann versteht man erst recht nichts.»
    «Mit pfeifendem Hörgerät kann man sicher nicht gut
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