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F (German Edition)

F (German Edition)

Titel: F (German Edition)
Autoren: Daniel Kehlmann
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sich diese Politik geändert: Plötzlich sind Eulenböcks Bilder in Allerweltsausstellungen von diversen Privatsammlungen zu finden: Kunstforum Rottweil , Telefonica Kunstcenter in Madrid , Kunstverein Bingen , Projektraum Städtische Bank Brüssel , Sparkassenstiftung Ebersfeld , you name it. Der einstmals vorgetäuschte Mangel an Werken ist dem Überangebot einer wahren Bilderflut gewichen, und sogar Merchandising-Artikel hat man schon in Museumsshops gesichtet: Tassen, Bettwäsche, Handtücher, versehen mit den beliebten ruralen Landschaften aus Eulenböcks Frühwerk. Längst haben sich die namhaften Museen dies- wie jenseits des Atlantiks von dem Künstler zurückgezogen. Ein Schelm, wer das alles in einen Zusammenhang mit Eric Friedlands angeblich prekärer wirtschaftlicher Lage brächte.
    Schon kündigt sich an, dass die Preise stagnieren. Man muss kein Prophet sein, um zu vermuten, dass sich auch hier der Höhenflug als Vorspiel des Desasters entpuppen wird – wenig bedauerlich angesichts eines Werks, das nach Meinung der Kenner eher dünne Suppe ist als Substanz. Aber sobald die kurzlebigen Moden nicht mehr unseren Blick vernebeln, werden wir vielleicht reif sein für eine andere Kunst, eine leise, eine subtilere, aber auch mutige Kunst, die nicht in die Vergangenheit blickt, sondern in die Zukunft. Das wird die Stunde der Stillen sein, fernab von Hype und Hektik, die Stunde, um nur ein Beispiel zu nennen, von Krystian Malinowski . Sein Werk profitiert nicht von der Krise, sondern überwindet sie. Gefragt, wie er sich eine Zeit vorstelle, in der –
    «Aber das widerspricht sich, oder?» Marie sah auf. «Einmal nennt er ihn bedeutend, dann sagt er –»
    «Du musst darüber nicht nachdenken.»
    «Soll ich weiterlesen?»
    «Es genügt.»
    «Papa sagt, so viel können die Bilder gar nicht einbringen, dass davon seine Schulden verschwinden. Papa sagt, Kunst ist nicht genügend wert. Aber immerhin vertröstet es die Bank, sagt er. Sie pfänden jeden Cent, aber sie lassen ihn leben, solange Geld hereinkommt. Deshalb wohnt er auch im Pfarrhaus, das darf ich aber nicht weitersagen. Wo wohnst du?»
    «Ich bin viel unterwegs.»
    «Schreibst du noch?»
    «Nein.»
    «Warum bist du erst jetzt gekommen?»
    «Ich habe zu tun.»
    «Und was?»
    «Nichts.»
    «Du tust nichts?»
    «So leicht ist das gar nicht.»
    Arthur bog ab und steuerte einen fast leeren Parkplatz an. Über einem Tor grinsten Clownsgesichter aus Kunststoff, dahinter ragten die Umrisse einer Achterbahn auf.
    «Ein Jahrmarkt», sagte Marie enttäuscht. «Schön.»
    Sie stiegen aus. Ein Mann führte zwei Jungen an den Händen, eine Frau schob einen Kinderwagen, ein paar junge Männer tranken aus Bierflaschen, ein Mann und eine Frau standen untergehakt vor einer Schießbude.
    «Warum bist du damals weggegangen?», fragte sie.
    «Man wird dir sagen, das Leben besteht aus Verpflichtungen. Vielleicht hat man es dir schon gesagt. Aber das muss nicht stimmen.»
    Marie nickte. Sie verstand nicht, was er meinte, aber sie hoffte, dass er ihr das nicht ansah.
    «Es geht auch ohne Kompromisse. Man kann leben, ohne ein Leben zu haben. Ohne Verstrickungen. Das macht vielleicht nicht glücklich, aber es macht leicht.»
    «Wie wär’s damit?» Marie zeigte auf ein Labyrinth. Labyrinthe waren nie schwer. Wenn man an der rechten Wand entlangging und den Blick auf den Boden heftete, ohne sich von den Spiegeln ablenken zu lassen, war man sofort wieder draußen.
    Sie holte ihr Telefon heraus. Stellt euch vor , tippte sie, bin auf dem Jahrmarkt . Während Arthur bezahlte, ging sie auf den Eingang zu. Summend öffnete sich die Tür.
    What the hell Jahrmarkt? , fragte Georg.
    Gibts eine Luftburg?? , schrieb Natalie.
    Sag mir wo ich komm auch , schrieb Jo.
    Sie tastete sich an der Wand entlang. Durch eine Glasscheibe sah sie die Buden und das Halbrund des Riesenrads, sie sah die Achterbahn. Ein kleiner Junge leckte an einer Eistüte und starrte durch sie hindurch, als wäre sie unsichtbar.
    Sehr witzig! , schrieb sie.
    Gar nicht , antwortete Jo, ich mag jahrmaerkte waere wirklich gern dabei .
    Wo war Arthur geblieben? Aber Situationen wie diese war sie gewohnt, so war es auch, wenn ihr Vater mit ihr in den Zoo ging: Sie tat es für ihn, er tat es für sie, beide wären sie lieber zu Hause geblieben. Sie tastete sich weiter an der Wand entlang, dann um die Ecke, dann wieder um die Ecke, dann noch einmal um die Ecke, dann hätte sie beim Ausgang sein müssen. Aber der Ausgang war
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