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Extraleben - Trilogie

Extraleben - Trilogie

Titel: Extraleben - Trilogie
Autoren: Constantin Gillies
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wird vermutlich als kleiner schwarzer Balken zu sehen sein, bei einer »0« bleibt die Bildschirmzeile leer. Mit ein bisschen Glück müsste sich aus dem Pixelsalat die Zahlenkombination ablesen lassen. Dann steht einem Ausbruch nichts mehr im Weg: Wir geben den Code ein und verpissen uns heimlich und John muss ohne uns abfliegen. Doch das alles klappt natürlich nur, wenn wir unseren lieben Ex-Chef dazu kriegen, noch einmal den Tür-Code einzugeben. Ich schaue zu Nick rüber. Er liegt mit dem Bauch auf dem Boden und nestelt am Game Boy rum.
    »Moment«, stöhnt er. Weil wir - haha - nichts zum Löten haben, besteht unser Codeknacker aus einem Geflecht von zusammengeknoteten Kabelchen, die beim geringsten Windstoß wie ein Mikadospiel auseinanderfallen.
    »Okay, jetzt bloß nichts mehr bewegen«, murmelt Nick und robbt erst vorsichtig ein Stück zurück, bevor er aufsteht.
    »System scharf«, er klopft sich demonstrativ den Staub von den Händen, »dein Einsatz.«
    Also los, wer weiß, wie lange die GameBoy-Batterien mitmachen. Ich bollere mit voller Kraft gegen die Tür. Überraschung. Die Stahltür gibt unter meiner Faust ein bisschen nach, so richtig ausbruchsicher scheint die Sache nicht zu sein. Okay, jetzt dreimal draufhauen, dann fünf Sekunden Pause und wieder von vorne. Wumm,wumm,wumm. Nick schleicht sich neben mich und streckt den Alles okay-Daumen aus. Ich haue nochmal zu: wumm, wumm, wumm. Warten, hören. Noch nichts, also nochmal. Wumm, wumm, wumm. Wieder warten. John kriecht bestimmt am anderen Ende des Flugfeldes rum, da braucht er ein bisschen, um rüberzukommen. Wumm,wumm,wumm. Nichts. Also von vorne. Nick packt meinen Arm.
    »Da! «, flüstert er. Wirklich, Ledersohlen klappern über den Vorplatz. Okay, jetzt müssen wir ganz locker tun. Nick streicht sich die Haare glatt und versucht, die Falten aus seinem T-Shirt rauszuziehen. Wohin mit den Armen? Wir bauen uns direkt hinter der Tür auf und sehen vermutlich wie zwei Jungs aus, die vor dem Büro des Schuldirektors stehen. Die Schritte stoppen. Jemand steht direkt vor der Tür, berührt das Tastenfeld. Jetzt kommt es drauf an: Wenn unser kleiner Freund von 1989 nicht aufpasst, haben wir unsere letzte Munition verballert. Klick, das Türrelais knarrt und die Mittagssonne knallt wie eine Supernova in den Hangar.
    »Ja, bitte?«, sagt der schwarze Umriss im Türrahmen.
    »Ja, äh, can we get something to drink« , stottere ich.
    »Es tut mir leid. Aber wie ich schon sagte: Sie müssen sich noch kurz gedulden«, gibt John genervt zurück, »sorry«.
    Noch bevor unsere Pupillen die Chance haben, sich auf Stecknadelkopfgröße zusammenzuziehen, schmeißt er die Tür wieder zu. Immerhin hat er den Code eingegeben, darauf kam es an. Jetzt noch ein bisschen warten, damit wir sicher sein können, dass John auch wirklich weg ist und nicht in ein paar Sekunden mit einer Gallone Wasser in der Hand die Tür aufreißt. In unserem ach so tollen Hack stecken natürlich einige »Wenns« drin. Was ist, wenn das rote Kabel gar nicht das tut, was Nick denkt, sondern was völlig anderes? Was ist, wenn das Codeschloss so schnell Daten sendet, dass der Game Boy nicht mitkommt - oder so langsam, dass unsere dreißigstel Sekunde nicht ausreicht, um alles aufzunehmen? Und was ist ... ist ja auch egal. Mit der GameBoy-Cam jedenfalls kennt sich der Beifahrer wirklich aus, er hat die Bilder zuhause sogar mit 'nem Mikrocontroller mal auf eine normale Foto-Speicherkarte rübergezogen. Okay, genug gewartet. John scheint wirklich abgezogen zu sein, um uns hier verdursten zu lassen, der Drecksack. Wir stürmen in die Ecke und werfen uns sofort vor dem Game Boy auf den Boden. Vorsichtig wie Mel Gibson beim Bombenentschärfen drücke ich mich durch die Menüs. VIEW, ALBUM, Foto anwählen.
    »Und?«, drängelt Nick.
    »Moment, Moment«, halte ich ihn hin. Er schnauft mir direkt in den Nacken.
    »Komm schon, komm schon, kleiner Schlagmann, mach mit!«
    Vergiss es, auch Ferris kann die Sache nicht beschleunigen. Mann, Alter. Ich schubse ihn weg. Vor lauter Aufregung ist er an die Drähte gekommen und hat den Game Boy von der Netzwerkleitung getrennt. Egal, wir brauchen den Aufbau ohnehin nicht mehr, denn John wird sicher nicht nochmal kommen, da können wir trommeln, solange wir wollen. Ich hebe den Game Boy hoch und halte ihn genau in den Lichtstrahl, der vom Dach reinfunzelt. Der Hintergrund des Displays sieht vergilbt wie Zeitungspapier aus, das ein Jahr lang in der Sonne gelegen hat.
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