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Extra scha(r)f

Extra scha(r)f

Titel: Extra scha(r)f
Autoren: Maria Beaumont
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verschiedene Richtungen, sodass ich mich mit einem kurzen Schulterblick vergewissere, dass nicht eine zweite Charlotte hinter mir steht. Dabei weiß ich genau, worum es geht.
    Ich habe nämlich die erste Regel gebrochen: Das Personal darf ausschließlich Kleidung tragen, die mit dem Zone-Logo versehen ist . Im Grunde weiß ich das, aber das war das einzige frische Paar Socken, das ich heute Morgen finden konnte. Ich habe mir sogar zehn Minuten Zeit genommen, um das unerlaubte Nike-Logo an der Seite in meinen Turnschuhen zu verstecken, aber nach fast acht Stunden Arbeit war es das Logo offensichtlich leid und rutschte heimlich an meinem Knöchel hoch -
    jaja, Just Do It.
    Was für eine Ironie, nicht? Lydia kann mich nicht zur Sehnecke machen, weil ich irgendein verdächtiges Pulver auf Jamies Schreibtisch verstreut habe, aber dafür könnte ich meinen Job verlieren, weil ich die falschen Socken anhabe. Ich spüre, wie Lydias Augen (zumindest eines davon) mich durchdringen, und ich kann nur hoffen, dass sie keinen Röntgenblick hat und somit nicht die Adidas-Streifen auf meinem Bustier unter dem Top erkennen kann. Vor Panik bricht mir der Schweiß aus. Zittern etwa meine Beine? Das schafft nicht einmal mein eigener Vater - ein einsfünfundsechzig Meter großes, am ganzen Körper behaartes Muskelpaket, der Herrscher meines Universums -, aber mein Vater ist auch nicht mit Lydia zu vergleichen. Sie sieht alles. Sogar die Geister von Verstorbenen wie dieser Junge in diesem Film mit Bruce Willis. Und sie sieht unerlaubte Logos auf Socken.
    »Vergiss nicht, Charlotte, ich behalte dich im Auge -« Im Auge, Singular, richtig ausgedrückt. »- Ihr beide geht sofort zurück an euren Arbeitsplatz, während ich diese Sauerei hier beseitige.«
    Als sie auf den Schreibtisch zumarschiert, ergreifen wir die Flucht.
    »Dieses hässliche Schielauge«, sagt Daniel, als wir außer Hörweite sind.
    Das ist nicht fair. Lydia ist nicht hässlich. Sie ist einsachtzig groß, hat die Figur von Beyonce Knowles und ein sehr markantes Gesicht. Mit anderen Worten, sie sieht perfekt aus ... bis auf dieses Schielen. Das leider nicht zu ignorieren ist. Das Lydia so unheimlich wirken lässt.
    Vor dem Ballettsaal bleiben wir kurz stehen und spähen durch die Scheibe. Philips Klavierspieler intoniert gerade ein ziemlich schnelles Stück - eine Art klassischen Techno -, und die Tänzer wirbeln umher wie Mäuse auf Amphetamin. Philip selbst hält kurz inne, um Daniel kokett zuzuwinken.
    »Bitte, sag mir, dass du nichts mit ihm hattest!«
    Daniel setzt ein unergründliches Lächeln auf - was nur bedeuten kann, ja, er hatte etwas mit Philip -, und wir gehen weiter in Richtung Aufzug.
    Wir nähern uns dem Empfang. Rebecca steht noch genauso da, wie wir sie vor einer halben Stunde zurückgelassen haben. Wie angewurzelt. Bevor wir hinauffuhren, meinte Daniel zu ihr: »Wir sind kurz oben, Becks. Rühr dich nicht vom Fleck.« Das hat Rebecca offenbar wörtlich genommen. Wahrscheinlich hat sie nicht einmal mit der Wimper gezuckt. Ich mustere ihre Augen, ob sie verquollen sind. Nein, sie sehen aus wie immer. Offenbar sind größere Katastrophen ausgeblieben. Mit ihren siebzehn Jahren ist Rebecca nämlich Stresssituationen nicht gewachsen.
    »Alles okay, Becks?«, frage ich sie.
    Sie nickt und sagt: »Da hat jemand angerufen und wollte wissen, ob wir Steps im Programm haben ... Ich glaube, die haben sich mittlerweile aufgelöst.«
    »Und ich glaube, der meinte nicht die Band, sondern Stepptanz, Herzchen«, sagt Daniel.
    »Oh, natürlich, Steppaerobic und so«, erwidert sie und wird rot, da ihr plötzlich wieder einfällt, was wir hier machen.
    »Macht nichts«, bemerke ich. »Du hast ja seine Angaben notiert, oder?«
    (Das zweite Gebot: Adresse und Telefonnummer jedes Interessenten erfragen, um diesen mit Infomaterial über eine Mitgliedschaft zu versorgen . Dies gilt für jeden Anrufer, selbst für jene, die uns etwas verkaufen wollen.)
    »Ich fürchte nein«, murmelt sie. »Ich habe ihm geraten, es bei Tower Records zu probieren.«
    Rebecca arbeitet seit einem halben Jahr bei uns, und Daniel und ich waren mit ihrer Einarbeitung betraut. Offenbar hat Rebecca nicht viel davon behalten, wobei mich der Gedanke beschleicht, dass das vielleicht gar nicht ihre Schuld ist - schließlich haben Daniel und ich diese Aufgabe nicht besonders ernst genommen.
    »Mach dir nichts draus«, tröste ich Rebecca. »Hör zu, du gehst jetzt in die Bar und besorgst uns was zu trinken.
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